Mit seinem neuesten Projekt „Songs From The Bottom Vol.1“ wagt sich der Sänger und Gitarrist mit der jungenhaften Stimme erstmals an englischsprachiges Liedgut aus fremder Feder heran. Olaf Neumann traf im Hamburger Schanzenviertel auf einen aufgeräumt wirkenden Dichter und Denker.
In dem Album „Songs From The Bottom Vol.1“ interpretieren Sie Stücke von Britney Spears bis Joni Mitchell. Haben diese Lieder in Ihrem Leben eine besondere Rolle gespielt?
„Definitiv, sonst hätte ich sie mir nicht aneignen können. Das sind alles Songs, die mich im Zuge des Romans, den ich schrieb, interessiert haben.
Auf das Stück „Turn Turn Turn“ in der Version von Pete Seeger bin ich vor Jahren noch mal gestoßen. Ich fand es richtig und wichtig, dieses Stück heutzutage noch einmal zu spielen, weil es zeitgemäß, zeitlos und wahrhaftig ist.“
Pete Seeger ließ sich beim Schreiben dieses tiefsinnigen Protestsongs von der Bibel inspirieren, in der er tröstende Worte fand. Welche Beziehung haben Sie zur Bibel?
„Seeger hat den Text aus dem Buch Kohelet des Alten Testaments übernommen. Ich selbst habe mich beim Songschreiben nie direkt durch die Bibel inspirieren lassen. Ich bin getaufter Christ, aber die Kirche ist nicht der relevante Ort meines Glaubens.“
Pete Seeger war ein kratzbürstiger Künstler, der immer für etwas anderes als den Mainstream stand. Ist das ein bewusstes Statement Ihrerseits?
„Mich hat insbesondere die Bescheidenheit des Sängers Pete Seeger beeindruckt. Er sah sich immer im Dienst für die Gemeinschaft.
In ästhetischer Hinsicht ist das häufig nicht besonders interessant, aber „Turn Turn Turn“ ist ein außergewöhnliches Stück. Bei einer bestimmten Aufnahme spielt Seeger den Song ganz leise mit seiner Gitarre vor kleinem Publikum.“
Und von Refrain zu Refrain singen die Leute ganz leise aber sehr andächtig mit. Es hat mich sehr gerührt, wie aus dieser fast uncoolen, bescheidenen Position dieses Sängers etwas Feierliches entsteht. Das wollte ich mit meiner Version würdigen.“
Interessieren Sie sich für die Lebensgeschichten der Künstler, deren Songs Sie singen?
„Auch. Bei allen Kunstwerken – ob einem Film, einem Buch oder einer Platte – nehmen wir bewusst oder unbewusst Kontakt auf mit der Persönlichkeit des Produzenten. Seiner Schönheit. Das, was uns da entgegenkommt, ist eine Art Zugang zu den dahinter liegenden Menschen.
Ob diese ominöse Gestalt jetzt Pete Seeger heißt oder Britney Spears – es ist immer ein liebevoller, wertschätzender Vorgang. Obwohl Spears eine Figur ist, mit der mich künstlerisch nicht viel verbindet, gelingt mir der Zugang zu ihrem Stück „Toxic“. Vielleicht auch aus Solidarität mit diesem gebrochenen Kinderstar.“
Was steckt hinter Spears Hit „Toxic“ – eine wundervolle Komposition oder ein unglaublich guter Text?
„Der Song ist einfach gut geschrieben. Ich habe „Toxic“ ursprünglich bei den Lesungen zu meinem Roman „Otis“ gespielt, darin geht es um die Odyssee, um Anrufe und sirenenhafte Gesänge und vergiftete Begegnungen.
Ich wollte diesen Song einer Sirene aus der Sicht eines Hobos singen, eines Irrfahrers und Wanderers. Er versucht, dem toxischen Ruf der Sirene zu widerstehen, obwohl er sich maximal hingezogen fühlt. Ich wollte in dem Text eine andere Ebene von Wahrheit und Wahrhaftigkeit mitschwingen lassen.“
Mit welchem Song hatten Sie als junger Mensch Ihr musikalisches Erweckungserlebnis?
„Das war kein bestimmter Song. Solange ich denken kann, ging es bei mir immer um Musik. Ein einschneidender Moment war natürlich Punkrock zu einem Zeitpunkt, an dem ich schon Musik machte.
Punk war eine Möglichkeit, ohne Ausbildung den eigenen Kram zu machen.Das beflügelte mich ungemein und gab mir Selbstbewusstsein. Punk ließ mich die Sachen so machen, wie ich dachte, dass man sie machen muss.“
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