Die Freiheit der Kunst ist hart erkämpft und durch Vereinfachung, Ideologie, Fanatismus und expansionsorientierte Marktwirtschaft bedroht, als Luxus, Status und elitär diffamierbar, obwohl sie öffentlich zugänglich ist.
Von Dirk Tölke
Als Bild- und Objektwelt begleitet die Kunst den Alltag und offenbart vielfältige Sichtweisen auf die Welt. Sie fordert durch einen auch in Politik, Religion und Wissenschaft herrschenden Meinungspluralismus heraus, der Basis für einen Austausch über die Ansichten und Empfindungen über die Welt bleibt, in deren Veränderung und Konstanz wir lernend hineinwachsen. Kunst zeigt Möglichkeiten auf, sie übt in Toleranz ein, sie irritiert aber auch Vorstellungen von reiner Lehre und endgültigen Gewissheiten.
Sie eröffnet neue Welten der Phantasie und Kombinatorik, sie dokumentiert Entwicklungen und interpretiert die Gegenwart. Durch Globalisierung und Internet schwemmen Daten an uns heran, deren Einordnung komplex ist, Widerwillen hervorruft und mengenmäßig überfordert. Da blendet der selektive Blick schon aus. Das nützt den momentan grassierenden Vereinfachern, die Macht ausüben möchten, in dem sie eine Atmosphäre der Angst schüren und ein Richtig und Falsch als einfache Lösung und Zugehörigkeitscredo erfinden, das Widerspruch und Gegenrede aussondert und den „Dissens“ einer Opposition ausblenden möchte, die Demokratie-Gepflogenheit ist. Wer nachfragt und nicht zustimmt, wird zum Feind erklärt.
Die historisch nächste Stufe von „keine Widerrede“ ist, das Denkweisen und dann Menschen – als schädlich und überflüssig definiert – zum Frustventil für Enttäuschte werden. Aufgestauter Hass und Wut wird opferhaltig kanalisiert. Diesem lauernden Stimmungsumschwung entgegen thematisiert die Ausstellung im IKOB bewusst Ressentiments, die zwischen Gruppierungen jeder Art existieren, die zu wenig voneinander wissen (wollen). Die weltweit gestreuten Kunst-Positionen erschließen sich mit Hintergrundmaterial über ein ausliegendes Bulletin und regen zur Diskussion und zum Widerspruch an, bieten keine einheitliche Auffassung. Filme zeigen da ästhetisierte Wellenbewegungen in Wassereservoirs von trockenfallenden Zonen, sie dokumentieren die Reaktion der Öffentlichkeit auf die lokal wirksamen Flüchtlingsströme oder stilisieren zwei Brüder suggestiv zu Vertretern von Kommunismus und Kapitalismus.
Es finden sich Kartographien vom Nutzungsverhalten städtischer Problemgebiete. Fotografien zeigen die G8-Proteste von Genua 2001 als moderne Schlachtenbilder oder die Reaktion von Südafrikanern auf den Künstler, der sich mit Müllmaterialien kostümiert, um auf bestehende Unterschiede weiß-schwarz arm-reich im Postapartheidsstaat hinzuweisen. Stoffdrucke behandeln über Superheldenhefte den Kampf von Gut und Böse, von Über- und Unterlegenen. Gemälde zeigen Zombies als fremdbestimmte Konsumenten. Lamellenvorhänge mit Meeresmotiv binden Grenzsetzung und Grenzüberschreitung zusammen. Alles natürlich anschaulicher und komplexer als solche Andeutungen. Hier wird Kunst als Gegenöffentlichkeit parallel zur Presse deutlich, die mit zusätzlichen visuellen Mitteln Mechanismen der Ablehnung thematisiert. \
bis 23.4.
„Ressentiments – Kulturen des Dissens“
Christoph Gielen – „Suburban Bubble Zoned for Monoculture“
IKOB Museum für zeitgenössische Kunst, Eupen
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