Von Dirk Tölke
Armin Linke hat Wissenschaftler, Theoretiker und Kulturanthropologen Werke aus seinem riesigen Bildarchiv aussuchen lassen und dieser soliden Wanderausstellungspräsentation Kurzkommentare und hörbare Interviews mit den Wählenden hinzugefügt. Ein Entwicklungsbild entsteht, das weltweite ökonomische und bauliche Folgen der Globalisierung dokumentiert, Räume und Orte der politischen Macht und ihrer Gegenkräfte zeigt, mehr sichtbar zu machen scheint, was die Menschheit so treibt, als, was Einzelne tun.
Darüber hinaus präsentiert er die verschiedenen Formen, wie das Wissen der Welt archiviert und anschaulich gemacht wird. Bilder, Schautafeln, Modelle, Dioramen, Regale, Computerspeicher und Arbeitsplätze mit immer mehr Bildschirmen, die an der Grenze des menschlich Machbaren in ihren Cockpitinhalten abgeglichen werden sollen. An den unbehaustesten Stellen sammelt sich globale Einflussmacht, in den abgelegensten Gegenden greift der Mensch folgenreich in die Natur ein, mahnende und repräsentative Bildinszenierungen bekleiden die Räume der Entscheider. Erstaunliche Dokumente von Prozessen, die Aachen wieder als Idylle erscheinen lassen, die von sanften Wellen des Fortschritts und des unerbittlichen Fortschreitens beleftzt wird.
Es sind Fotos, die unsere Welt verständlich machen und aus der Informationsexpansion ein handhabbares Stück herausfiltern, das seltene Einblicke und Überblicke und Rückblicke bietet, an denen man zu knabbern hat und die sich zu sehen lohnen. Eine einsichtsvolle Weiterbildung in Auswirkungen und Wechselwirkungen. Ohnmachtsanfälle nicht ausgeschlossen. Erik Levine geht dahin, wo die Gesellschaft im Alltäglichen ihre Ausbrüche an Gewalttätigkeit zeigt, aber er sucht nicht die Sensation, sondern eine Verdeutlichung der Phänomene, die er aus dem Alltäglichen ins Allgemeine hebt. Seine Schnitttechnik taktet Filmsequenzen mit Pausen, begnügt sich mit Ausschnitten und Teilfeldern der Leinwand und reichert die Klangwirkung mit O-Ton und Off-Voice an.
Bizarre Rituale treten auf: Väter und Trainer stauchen junge Sportler zusammen, die Sieger und nicht Spieler werden sollen; im Altenheim starren zum Sterben Abgelieferte auf Mord und Totschlag im Fernsehen; Hahnenkämpfer machen zärtlich ihre Hähne für den Todeskampf hübsch. In einem cleanen Edelstahlschlachthaus führen nur in Details sichtbare Arbeiter metropolismäßig ihr unerbittliches mechanisches Tun aus. Auch die ungeklärte Ermordung seines Vaters rekonstruiert er als artistische Dokumentation mit Zeugenaussagen.
Ihm gelingen ruhige, treffliche und berührende Bilder, die das Unbegreifbare stehen lassen und sich als Gedächtnisspuren einprägen. Poetische Herb-Montagen, die mehr sind als Filmware und Dokus und ohne Schockwirkung auskommen. \
bis 16.7.
Armin Linke - „The Appearance of That Which Cannot Be Seen“
bis 24.9.
„Erik Levine. As a Matter of Fact“
Ludwig Forum für Internationale Kunst
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