Präzise und scharf setzt das Orchester unter Leitung von Kazem Abdullah in der kurzen Ouvertüre seine Akzente.
Von Heiner Jordan
Spannungsvoll sind die plötzlichen Wechsel ins Pianissimo, spitz und präzise die Staccati. Der Vorhang hebt sich. Nebel liegt auf der Bühne, dahinter ein Gebäudeskelett mit düsteren Durchgängen. In den Kellern sieht man blutdurchtränkte Tücher, ahnt einen Folterkeller. Macbeth erscheint mit Banquo, Blutflecken an den Kleidern.
Gerade jemanden gemeuchelt? Dann erheben sich zu leiser, treibender Musik Hexen aus dem Nebel, in eng anliegenden, schwarz glitzernden Kleidern, ihre Bewegungen immer lasziv. Später wird sich Macbeth ihnen gegenüber verhalten, als könne er sich bei ihnen alles erlauben – welch ein Irrtum! Dann erscheint der Männerchor, eigentlich Macbeth‘ Mannen. Hier aber tragen sie lange schwarze Mäntel und schwarze Hüte: Kein Mittelalter, sondern surreale Bilder des Unheimlichen, der Bedrohung.
Später werden diese Spießgesellen als Kellner servil die Tische eindecken, um dann unversehens Banquo zu erstechen. Das Messer wischt der Meuchelmörder ab, um es wieder ordentlich neben das Gedeck zu legen. Surreal. Jeder ist gefährdet, überall. Die Macht ist unberechenbar und skrupellos. Treibende Kraft dahinter ist Lady Macbeth: „Voller Ehrgeiz bist du. Hast du auch Kraft zum Bösen?“, singt sie bei ihrem ersten Auftritt und meint ihren Mann: „Nur über Leichen geht der Weg zum Throne!“ Diese Überzeugung, bestärkt von den Prophezeiungen der Hexen, setzt das Ehepaar Macbeth in die Tat um, erlangt die Krone, wird dann aber – er vor allem – immer wieder von den Geistern der Toten heimgesucht, die sich nicht mehr durch Erdolchen, Erwürgen oder Aufhängen aus der Welt schaffen lassen, bis beide der Rache ihrer Feinde zum Opfer fallen. Die Rollen sind beeindruckend besetzt.
Hrólfur Saemundsson (seine beste Rolle) gibt den Macbeth, Sanja Radisic die Lady. Sie interpretieren diese Beziehung ungewöhnlich, denn diese Lady Macbeth ist zwar machtgeil, wie man sie kennt. Aber sie beherrscht ihren Mann nicht einfach wie ein willenloses Spielzeug, sondern sie liebt ihn. Und das hat sich diese Inszenierung (Tobias Heyder) vorgenommen: Dieses Drama auch als romantisches Liebesdrama darzustellen. Wenn Macbeth gerade König Duncan ermordet hat, neben der Leiche hockt und in seinem ersten Anfall von Reue verzagt, dann singt die Lady zwar textgetreu, dass er ein Feigling sei, aber – merkwürdig – das nicht verächtlich, sondern sie streichelt ihn liebevoll.
Sie tröstet ihn, während sie singt, wie jämmerlich er zittere. Verrückt: Der Mord ist ausgeblendet, der Mordkomplott beiseitegeschoben – sie sieht nur ihn. Im zweiten Akt aber, wenn er nach der Ermordung seines Freundes Banquo auf dem Fest, das sie geben, alle Beherrschung verliert, sich gegenüber den Gästen hemmungslos gehen lässt, dann aber jäh in allen Gesichtern das des toten Freundes sieht und in aller Öffentlichkeit Attacken des Verfolgungswahns verfällt, dann wird sie herrisch, verächtlich. Doch immer wieder gibt es auch noch diesen lyrischen Ton zwischen den beiden. Das ist ungewöhnlich, aber stimmig. Gesanglich und spielerisch überzeugen beide Protagonisten.
Auch die „kleineren“ Rollen, Lukas Konieczny als Banquo, Soonwok Ka als Malcolm verkörpern ihre Rollen überzeugend. Mit Szenenapplaus bedacht wurde Alexej Sayapin für seine Arie als Macduff, der um seine Familie trauert. Der Chor entwickelt oft große Stimmgewalt und ist als Chor der Heimatlosen tief berührend. Der Besuch dieser Oper ist durch und durch sehr zu empfehlen. \
8., 11. + 21.12.
„Macbeth“
Bühne, Theater Aachen
theater-aachen.de
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