Von Kira Wirtz
„Unterleuten“ von Bestseller-Autorin Juli Zeh erobert gerade die Bühnen der Republik. Erst Weimar, dann Bonn und im Januar Potsdam und Aachen. Ganz so einfach ist es allerdings nicht, aus einem Roman ein Bühnenstück zu kreieren. Vor allem nicht, wenn er so komplex ist wie der von Zeh. Inge Zeppenfeld erklärt, warum sie trotzdem viel Spaß beim Kürzen hatte, wie man 635 Seiten auf 78 Theaterstückseiten bringt und warum Computerspiele zu Dorfgemeinschaften passen.
„Wir hatten schon sehr früh eine eigene sehr spezielle dramaturgische Grundidee. Trotzdem ist es gut, wenn man die Uraufführung und Nachfolgeinszenierungen gesehen hat. Da kann man überprüfen, wie Erzählstrategien auf der Bühne funktionieren. Das gibt Sicherheit.“ So sieht das zumindest Dramaturgin Inge Zeppenfeld. „Für mich ist es zum Beispiel wesentlich schwieriger, aus dem im Original sechs Stunden langen Hamlettext etwas rauszustreichen, als aus einem 600-Seiten-Roman eine konzentrierte Fassung zu machen.“ Denn bei letzterem kann selber entschieden werden, welche Personen, Nebenhandlungen und Orte gebraucht werden, um einen Roman in eine Bühnenversion zu ändern. Und genau vor dieser Aufgabe steht sie momentan.
Juli Zehs Roman „Unterleuten“ über ein fiktives Dorf irgendwo im Nirgendwo bei Brandenburg mit all seinen überzeichneten und zuweilen intriganten Bewohnern – insgesamt über 30 im Buch – wird im Januar auf der großen Bühne aufgeführt. Die erste Version ist bereits fertig. Zeppenfeld hat die Geschichte auf gut 80 Seiten reduziert, die Dialoge herauskristallisiert, aber auch in Rücksprache mit dem Regisseur eine eigene Erzählform entwickelt.
„Bei manchen Stoffen reicht es, sich auf die Dialoge zu konzentrieren. Bei Juli Zehs ,Unterleuten‘ nicht. Dafür muss man auf der Bühne ein Prinzip entwickeln.“ Hier liegt also der Kniff des Romans. Dem Dorf „Unterleuten“ fehlt es an Geld, die jungen Leute verlassen das Hinterland, der Ossi- und Wessi-Konflikt ist noch lange nicht ausgefochten und hinzu mischt sich eine alte Fede zwischen den Dorfpatriarchen Kron und Gombrowski.
Und als ob das Dorf nicht schon so genug mit sich zu tun hätte, ziehen plötzlich zwei hippe Paare ins Dorf. Das eine, weil sich der Ehemann der Vogelrettung verschrieben hat, das andere, weil sie so gerne die Pferde direkt am Garten hätte. In beiden Fällen ist der Umgang mit den Dorfbewohnern alles andere als leicht. Als dann auch noch über die Köpfe der Bewohner hinweg entschieden wird, dass mitten im Naturschutzgebiet ein Windpark gebaut werden soll, eskaliert das ganze Dorf. Wem gehört welches Stück Land, wer darf überhaupt was und wer ist der unbekannte Investor aus Ingolstadt?
Es ist klar, das komprimiert werden muss. „Dennoch muss ich darauf achten, dass der Zuschauer mitbekommt, wer warum wie handelt. Das schaffen wir, der Regisseur Marcus Lobbes und der Computerspezialist Michael Deeg durch eine, der Fassung schon eingeschriebene zweite Ebene.“ Diese zweite Ebene hat eine Romanfigur geliefert. Frederik, einer der Neuzugezogenen liebt und programmiert Videospiele und sagt im Roman: „Ich habe die Natur am liebsten auf dem Bildschirm.“
Und genau da hat Zeppenfeld angesetzt. Denn wenn sogar die Romanfigur Frederik als eingefleischter Computerfreak das Wirrwarr im Dorf als ideale Basis für ein Endlos-Browsergame sieht, müsste das doch für die Bühne auch funktionieren. Schon Juli Zeh selbst hat im Roman und im Umfeld des Romans mit der digitalen Welt gespielt. Folgerichtig, wenn Zeppenfelds Bühnenfassung den Bewohnern des Dorfes zusätzlich eine zweite virtuelle Bildebene zur Verfügung stellt.
So ein dramaturgischer Versuch schließt mit ein, dass ein Regisseur gefunden wird, der damit viel anfangen kann. Und den hat Zeppenfeld in Marcus Lobbes gefunden. Gemeinsam beginnen die Proben mit dem Ensemble, das immerhin elf Rollen darstellt, am 18. Dezember.
Dann werden sie Zehs Geschichte bühnenreif machen, wie im Roman den Schwarzen Peter von einem zum anderen Dorfbewohner schieben, Borniertheit, Sturheit und Heimatgedanken gekonnt auf einer virtuellen Doppelebene darstellen. Da kann man wahrlich gespannt sein. \
27.1.
„Unterleuten“
19.30 Uhr, Bühne, Theater Aachen
www.theateraachen.de
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