Von Martin Schwickert
Alle Alarmlichter im Cockpit leuchten. Der Höhenmeterzähler rattert unkontrolliert nach oben. Die Pilotenkabine wird durchgeschüttelt. Flammen vor dem Fenster. Doch dann plötzlich mit einem Mal: Ruhe. Das Raumgefährt hat die Atmosphäre durchdrungen und gleitet dahin. Der Blick von oben auf die Erde ist berauschend – bis die Nase sich wieder nach unten neigt und das Flugzeug erneut in den Strudel der Erdatmosphäre gerät.
Die erste Szene von „Aufbruch zum Mond“ ist nichts für Flugangstkandidaten. Aus der unfreiwilligen Co-Pilotenperspektive wird das Publikum Zeuge eines Testflugs, den Neil Armstrong 1961 mit dem raketengetriebenen Flugzeug X-15 unternommen hat. Hautnah wird im Kinosessel die Gefahr spürbar, der sich der spätere Astronaut aussetzt, unterbrochen von einem Moment der Poesie, in dem aus dem Weltall auf das irdische Dasein geschaut wird. Diese Eröffnungssequenz ist spektakulär und gleichzeitig ein Bekenntnis zur radikalen Subjektivität, mit der Damien Chazelle auf das Leben jenes Menschen blickt, der zuerst einen Fuß auf den Mond gesetzt hat. Ryan Gosling, der für den Regisseur schon in „La La Land“ vor der Kamera stand, spielt Neil Armstrong als introvertierte Ingenieursseele. Als seine Tochter im Alter von zwei Jahren an einem Hirntumor stirbt, frisst er die Trauer in sich hinein und vergräbt sich in seine Arbeit. Schließlich wird er bei der NASA angenommen, was für ihn und seine Frau Jan (Claire Foy) auch als ein neuer Start ins Leben angesehen wird. Aber bis die Apollo-11-Mission den Mond erreicht und Armstrong dort den Fuß auf den staubigen Boden setzt, ist es ein weiter Weg, der von Fehlversuchen und Verlusten gekennzeichnet ist.
Ryan Gosling gelingt es auf subtile Weise, die Ängste hinter der stoischen Fassade des Astronauten sichtbar zu machen. Jenseits langweiliger Heldenklischees vermittelt „Aufbruch zum Mond“ ein Gefühl für den kalkulierten Wahnsinn des Einsatzes, dessen verschwenderisches Budget damals angesichts der sozialen Misere in den amerikanischen Großstädten sehr umstritten war. Im Finale schließlich, wenn sich die Landefähre „Eagle“ ihrem Ziel nähert, fährt Damien Chazelle allen cineastischen Hokuspokus zurück und zeigt ohne Musikuntermalung in vollkommener Konzentration und Stille jenen unwirklichen Moment, den damals die ganze Welt gebannt am Fernseher verfolgt hat – und der auch heute noch im Kino nichts von seiner Faszination eingebüßt hat. \
„Aufbruch zum Mond“
USA 2018 // R: Damien Chazelle
Start: 8.11. | 142 Minuten | FSK 12
Reisen zum Mond
Am 21. Juli 1969 betraten Neil Armstrong und Buzz Aldrin als erste Menschen den Mond. Bis 1972 gab es noch fünf weitere bemannte Mondlandungen, der gescheiterte siebte Versuch mit Apollo 13 wurde 1995 mit Tom Hanks verfilmt. Nach langer Pause plant auch die NASA für die Zukunft wieder Mondbetretungen. 2023 will außerdem Tausendsassa Elon Musk erstmals einen zahlenden Touristen zum Mond und zurück zur Erde schicken, aussteigen darf der japanische Milliardär Yusaku Maezawa allerdings nicht. \
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