Ein Männerwohnheim mitten in Wien. Hier wohnen der Jude Schlomo Herzl und Lobkowitz, der Ex-Koch mit dem „I love Jews“-T-Shirt, der gerne „Gott“ genannt werden möchte. Herzl verkauft nachts Bibeln und das Kamasutra und schreibt nach Feierabend an seinem Buch, das er „Mein Kampf“ nennen will.
Eines Tages steht Adolf Hitler mitten in ihrem Zimmer – der kleine Hitler mit der großen Klappe und der überdimensionalen Zeichenmappe. Er will in Wien als Künstler Karriere machen. Er macht keinen Hehl aus seinem Judenhass. Doch der gutmütige Schlomo nimmt sich seiner an, näht ihm den Knopf an die Hose und wichst ihm die Schuhe – für ihn ist Hitler der weltfremde Bauernjunge ohne Manieren, um den man sich kümmern muss.
Als Hitler an der Akademie der schönen Künste scheitert, beginnt er, von der Weltherrschaft zu träumen. Ja selbst „die Neger mit der Nacht in ihren Ärschen“ sollen dazugehören. Langsam kristallisiert sich heraus, wie aus dumm-naiv gefährlich werden konnte.
Regisseurin Ewa Teilmans lässt Hitler und Herzl eine entgegengesetzte Wandlung auf der Bühne vollziehen. Felix Strüven als Hitler und Thorsten Borm als Herzl glänzen in ihren Rollen. Ist es zunächst Hitler, der unwürdig in zu großen langen Unterhosen zur Aufnahmeprüfung geht, der Verstopfungsprobleme hat, ist es am Ende Herzl, der bis aufs Unterhemd ausgezogen dasitzt, dem alles genommen wird, nicht zuletzt seine Würde. Symbolisch hier das Huhn Mizzi – lebendig auf der Bühne – , sein liebgewonnenes Haustier, welches von der Himmler-Allegorie Himmlischst (Joey Zimmermann) zerrupft wird.
Teilmans versucht, in gut zweieinhalb Stunden möglichst viel von Taboris Text mit auf die Bühne zu bringen. Darunter leidet gerade zum Ende der ersten Hälfte das Tempo des Stücks.
Teilmans spinnt jedoch das, was Tabori über den Text vermittelt, gekonnt auf der Bühne weiter: So pfeift Hitler Wagners Tannhäuser, während er sich unter die Dusche stellt, die laut plätschernd im hinteren Teil der Bühne anspringt. So kommt Elke Borkenstein als blinde „Frau Tod“ im Pelz auf die Bühne um Hitler als Würgeengel zu engagieren. Das Gretchen – zum Schreien komisch von Oleg Zhukov dargestellt – tritt am Ende nicht mehr als Herzls Geliebte in Netzoptik, sondern in Hitlerjugend-Dress auf. Fünf „Nazis“ in Kapuzenjacken und Springerstiefeln treten aus dem Publikum auf die Bühne, um Hitler den Rücken zu stärken – viel Symbolik, die sich jedoch nicht immer erschließt.
George Taboris Farce ist ein großes Stück Theater. Herausgekommen ist ein Abend, der im Kopf bleibt, vor allem durch die herausragende Leistung seiner Protagonisten.
Text: Barbara Taxhet
Foto: Carl Brunn
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