Die von Philipp Maintz als Auftragswerk komponierte Oper Maldoror erzählt eine für das Musiktheater eher ungewöhnliche Geschichte: Es ist eine Erzählung über das abgrundtief Böse, das über das Gute triumphiert. Sicher begegnen wir in Opern immer wieder dem Bösen in verschiedenen Gestalten, aber eine Darstellung in dieser Dichte und Härte gab es bisher nicht. Die Oper basiert auf der Dichtung „Les Chants de Maldoror“, die unter dem Namen Conte de Lautréamont veröffentlicht wurde (vgl. Klenkes 05/2010). Maintz und sein Librettist Thomas Fiedler haben das Werk so umgestaltet, dass der Autor und sein Geschöpf Maldoror sich als Alter Ego gegenüberstehen und miteinander um die Oberhand ringen. In den Fokus der Bösartigkeit Maldorors gerät eine Kleinfamilie, die er ohne erkennbaren Grund nach und nach zerstört. Im finalen Kampf zwischen Schöpfer und Geschöpf tötet Maldoror den Autor.
Diese grausige Geschichte bringt das Regie-Duo Georges Delnon und Joachim Rathke in kalten, harten Bildern auf die Bühne, die den Zuschauer förmlich erstarren lassen. In einem fantastischen, schlichten Bühnenbild von Roland Aeschlimann, das ein wenig an ein Laufrad in einem Hamsterkäfig erinnert, dem die Akteure ebenso wenig wie ihrem Schicksal entkommen können, halten die Regisseure die Grundtöne durchgehend in Schwarz und Weiß. Keine grauen Zwischentöne stören diesen absoluten Konflikt zwischen Gut und Böse. Mittendrin findet sich die Kleinfamilie, die ohnmächtig erleben muss, wie sie nach und nach zerstört wird. Obwohl die Inszenierung sehr statuarisch ist, erzielt das Regie-Duo gerade dadurch maximale Effekte; die eindringlichen Bilder, die teilweise minutenlang „stehen bleiben“, brennen sich dem Betrachter ins Gedächtnis. So erinnert beispielsweise die Szene, in der die Mutter den toten Sohn in den Armen hält, frappierend an die Pietà Michelangelos. Und das lang andauernde Schlussbild, in dem die Opfer Maldorors leblos in den Gittern des Käfigs hängen, lässt ein verstörendes Gefühl der Trostlosigkeit zurück. Eine sehr starke Idee war es den Text des Librettos permanent auf die Bühne zu projizieren, mal auf ein weißes Tuch, mal einfach auf den Käfig; im Schlussbild dann ließen die Regisseure den Text rasend schnell zurücklaufen, so als liefe die ganze Geschichte nochmals vor den Augen des Betrachters ab. Eine nachdrückliche, im positiven Sinne verstörende Inszenierung eines einzigartigen Werkes.
Die Komposition von Philipp Maintz zieht einen von Beginn an in den Strudel der sich entwickelnden Tragödie hinein. Mit vielschichtigen Klängen und Klangbildern baut Maintz in seinem Werk eine manchmal schier unerträgliche Spannung auf, die in einem immer wiederkehrenden Motiv ausklingt, das die tiefe Trostlosigkeit der Geschichte widerspiegelt. Besonders schöne Effekte erzielt Maintz mit den abgestuft einsetzenden Streichergruppen und dem virtuosen Einsatz verschiedener Schlagzeuge; ein besonderes Lob an diese Musiker, die sonst oftmals kaum wahrgenommen werden, ist hier absolut angebracht. Überhaupt zeigte sich das Sinfonieorchester unter Marcus Bosch in großer Form, wie es diese anspruchsvolle, vielschichtige und rhythmisch fordernde Partitur präsentierte. Ebenfalls in sehr starker Form waren alle Sänger, wobei Martin Berner, Otto Katzameier und Marisol Montalvo als Hauptprotagonisten besonders hervorzuheben sind; und einen Extraapplaus für den Darsteller des kleinen Jungen, der seine anspruchsvolle Partie hervorragend bewältigte. Es ist kein Wunder, dass dieses Werk und die Inszenierung bei der Biennale für Neue Musik in München mit Lob überhäuft wurde.
Philipp Maintz
Philipp Maintz wurde 1977 in Aachen geboren, ersten Kompositionsunterricht erhielt er bei Michael Reudenbach in Aachen, von ‚97 bis 2003 absolvierte er sein Kompositionsstudium mit Auszeichnung bei Robert HP Platz in Maastricht. Hieran schloss ich ein Aufbaustudium Komposition und elektronische Musik bei Karlheinz Essl am Bruckner-Konservatorium in Linz an. Bis heute hat Maintz zahlreiche Stipendien erhalten, so auch für die Cité Internationale des Arts Paris. Maintz zählt zu den vielversprechendsten deutschen Komponisten, „Maldoror“ ist eine Koproduktion des Theater Aachen mit der Biennale München und dem Theater Basel. Die Premiere war am 8. Mai in München bei der Biennale. 2008 hatte Maintz für das Sinfonieorchester Aachen das Stück „archipel. musik für großes orchester“ geschrieben, das dann im Oktober 2008 unter der Leitung von Marcus R. Bosch uraufgeführt wurde.
Tanja Sprungala
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