Dass Fitzek dem Titel den Zusatz „Kein Thriller“ gab, ist nicht verwunderlich. Häufig verbindet man den Erfolgsautor mit seinen nervenaufreibenden Psychospielchen. Aber ganz ehrlich: Nervenaufreibend wird es bei der Theateradaption im Das Da Theater auch. Und mit unserer Psyche gespielt wird ebenfalls.
Ein Roadmovie. Ein Mann und eine Frau, unfreiwillig vereint in einem Auto, weil der Flug gestrichen wurde. Er spröde, sie ein bisschen drüber. Er sympathisch, sie ein wenig zu unangepasst. Timo Aust spielt Linus Reimer und Paula Donner Lea von Armin. Unterstützung bekommen die beiden von Dennis Papst und Sammy-Jo Wooley, die in Windeseile von einer Rolle in die nächste schlüpfen. Denn der etwas introvertierte, aber liebenswerte Linus und die abenteuerlustige Lea treffen auf ihrem Trip so allerhand andere Menschen: Eine liebenswürdige tattrige Oma, die doch niemands Oma ist, einen schneidigen Hotelier, mit einem nicht ganz einwandfrei zuzuordnenden Akzent. Die Stewardess mit blonder Perücke, die wenig empathisch wirkt und beim Publikum für die ersten Lacher sorgt.
Für Lacher sorgen die vier Darsteller vor allem in der ersten Hälfte des Stücks am laufenden Band. Wenn Lea Linus als jüngsten Rentner der Welt betitelt, weil er im Parkhaus blinkt, sie ihn Beppo nennt und ihn nicht nur einmal in für ihn völlig prekäre Situationen bringt. Linus, der wahrscheinlich stoffeliger wirken soll als er ist, nimmt es hin und wird zu Leas Retter. Das Ganze findet vor einer riesigen Treppe statt, die auf der Bühne in die Höhe reicht. Mit wenig Requisiten und Kostümen, schaffen es die vier aber jede Situation und jeden Ort, der ihnen auf der Reise begegnen, darzustellen. Die Autofahrt (ein Lenker reicht), ein Hotel (ein Klappbrett wird zur Rezeption) und ein Rastplatz (die Toilette nicht offensichtlich unter der Treppe). Im Bühnenbild greifen Frank Rommerskirchen und Judith Meyer die Illustration des Buchcovers auf und lassen dadurch die Reise auf der holprigen Straße, gesäumt von Bäumen und mit einer rätselhaften Tür am Ende lebendig werden.
Die Inszenierung von Tom Hirtz ist feinfühlig, aber nicht abmildernd. Was soll das heißen? Er schickt die zwei Darsteller mit einer unglaublichen großen Textmenge, die zu lesen an vielen Stellen leichter ist als sie zu sprechen, auf die Bühne und lässt sie ein Gedankenexperiment spielen, dass sie (bildlich gesprochen) an ihre Grenzen bringt. Dabei legt er nicht nur Wert auf den humoristischen Teil, sondern lässt auch in die tieferen Ebenen blicken.
Vor allem in der zweiten Hälfte des Stückes wird aus der Heiterkeit Melancholie. Jetzt wird auch dem Letzten klar: Hier stimmt so einiges nicht. Warum ist Lea, wie sie ist? Warum ist Linus nicht glücklich? Man ist drin in der Geschichte, will wissen: Was steckt dahinter? Antworten wird es geben. Ob sie gefallen, ist eine andere Frage. Ob es gut gemacht ist? Auf jeden Fall. kw
bis 4.5. (Do-So)
„Der erste letzte Tag“
20 Uhr, Das Da-Theater
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