Irgendwie kommt die Erinnerung an die eigene Schulzeit ganz schnell zurück: Ja, so war es in der Schule, mit den Lehrern und dem meist versperrten Blick in den heiligsten Raum: dem Lehrerzimmer. Das Stück „Eingeschlossene Gesellschaft“ am Grenzlandtheater nimmt das Publikum genau mit an diesen Ort. Bücher und Filme über Schulen gibt es einige. Aber Weilers Version hebt sich ab, beleuchtet den Mikrokosmos Lehrerzimmer. Und hier steht nicht der übliche Eltern-Lehrer-Konflikt oder gar das Wohl der Schüler im Mittelpunkt.
Die Handlung beginnt mit einem scheinbar banalen Geplänkel unter den Kollegen, die gedanklich bereits im Wochenende oder in die Pension versunken sind. Freitags kurz vor drei Uhr ist nun wirklich Zeit fürs Wochenende. Der lässige Sportlehrer lässt auch nach Unterrichtsschluss Jogginghose und Turnschuhe an und wirft sich ein Jeanshemd über. Der Lateinlehrer ist definitiv noch aus einer anderen Generation und trägt Anzug, Hemd, Weste. Alles sitzt perfekt. Man sieht ihm an: Ordnung ist mehr als das halbe Leben. Einer, der Anzug und Jeans kombiniert, wirkt etwas lässiger und wird sich noch als Vertrauenslehrer herausstellen. Eine, die Schüler wirklich nicht ausstehen kann und daraus kein Geheimnis macht, ist die verklemmte Französischlehrerin. Ah, und da ist der mit den Socken in den Sandalen und dem Karo-Hemd, der gehört in die Fachschaft Chemie und die Referendarin bereitet noch schnell ein Plakat für eine neue AG vor. Und da erdreistet sich jemand, an die Lehrerzimmertür zu klopfen. Nasen werden gerümpft, Beleidigungen ausgesprochen, Klischees bedient. Das Publikum ist begeistert.
Doch als Manfred Prohaska das Lehrerzimmer betritt und eine Pistole zieht, wird die Situation explosiv. Innerhalb weniger Minuten verwandelt sich der Raum in einen Schauplatz unerwarteter Konflikte und offenbart die verborgenen Geheimnisse und persönlichen Probleme der Lehrer.
Unter der Regie von Anja Junski entfaltet sich das Stück zu einem ernsthaften Drama voller Spannung und Humor. Vor allem nach der Pause geht es zwar lustig, aber nicht mehr subtil weiter. Auch die Darsteller heben ab da nicht mehr nur die lustige Seite ihrer Charaktere hervor.
Fabio Piana als Manfred Prohaska brilliert in der Rolle des verzweifelten Vaters, der alles riskiert, um seinem Sohn zu helfen. Ihm in die Quere stellt sich vor allem der Lateiner Klaus Engelhardt, dem Peter Kempkes ganz wunderbar das stoffelige Profil des unbelehrbaren Altphilologen verleiht. Ihm zur Seite steht die gehässige und arrogante Französischlehrerin Heidi Lohmann (Regine Gebhardt), die Schubert-Lieder singt, „Minderleister“ verhöhnt und nicht einsehen mag, warum man sich mehr als nötig mit dem „genetischen Gemüse“, sprich den Schülern, abgeben soll.
Es fehlt nicht an Gegenstücken: Sebastian Schlemmer gibt den in knallrote Jogginghosen gesteckten Sportlehrer-Cooli Mertens, der nachmittags noch einen Zweitjob im Laden seiner Frau hat, Susanne Schieffer die noch leicht naive, alle verstehende Referendarin Bettina Schuster. Tobias Strobel spielt den verklemmten, im Kollegium verkannten, wenn nicht sogar wegen seiner speziellen Sandalen-Socken-Kombi gemobbten Chemielehrer, dessen Herz für „Jugend forscht“ und brodelnde Versuchsanordnungen schlägt. Stefan Kiefer steht als immer verständnisvoller, immer lösungsorientierter Vertrauenslehrer Holger Arndt zwischen den Fronten. Noch… Denn hier knallt es gewaltig, als Personalakten und alte Geschichten auf den Tisch kommen und Meinungen aufeinanderprallen und Versuchsanordnungen vor sich hin brodeln. Das Bühnenbild von Steven Koop wird täuschend echt auf die Bühne gebracht, und sorgt mit Details für eine authentische Atmosphäre, die die Zuschauer direkt in die Welt der Schule entführt.
Während die erste Hälfte des Stücks von der Bedrohungssituation im Lehrerzimmer geprägt ist, entwickelt sich die zweite Hälfte zu einem fesselnden Tribunal, in dem die Lehrer mit ihren eigenen Fehlern und Geheimnissen konfrontiert werden. Dabei gelingt es dem Ensemble, die Spannung bis zum Schluss aufrechtzuerhalten und das Publikum mit überraschenden Wendungen zu fesseln. (Kira Wirtz)
Spielzeiten
„Eingeschlossene Gesellschaft“
Komödie von Jan Weiler
bis 17.4.
20 Uhr, Grenzlandtheater
21.-26.4.
20 Uhr, diverse Orte in der Euregio
grenzlandtheater.de
Homepage Grenzlandtheater Aachen
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