Von Dirk Tölke
Die Keramik führte die Künstler zusammen. Dieter Crumbiegel (*1938 Essen) studierte 1957-61 an der HbK in Kassel, wurde 1958 Stipendiat der Studienstiftung des deutschen Volkes und Dozent in Fulda und Höhr-Grenzhausen. Einem Staatspreis für Keramik 1974 in der Blütezeit der Keramik, die ihr Image als Töpfchendreherei zu überwinden hoffte und durchaus als Kleinplastik einen Beitrag zur Moderne leistete (wie die Ausstellung Ceramix in Maastricht vor Jahren zeigte), folgte 1979 bis 2001 eine Professur im Fachbereich Design in Krefeld. Dort hatte auch seine Frau 1978 bis 1982 einen Lehrauftrag inne. Seit 1993 betrieben sie eine Kunstwerkstatt und eine Galerie in ihrem Hof in Heinsberg. Beide wollten Keramik nicht für nützliche Dinge, sondern als künstlerisches Ausdrucksmittel nutzen.
Klarheit ohne Kühle
Marlies Seeliger-Crumbiegel entwickelte 1981 ein Verfahren Metallfolie auf Keramik aufzubrennen, wodurch mittels Galvaniserung eine Metallhaut mit keramischer Oberflächenstruktur erwirkt werden konnte. Raum, Zeit und Bewegung thematisierte sie durch Segmente aus Windungen und Knicken von rohrhafter Keramik oder durch Serien von Toren, die, als archaische Urform kulturassoziativer, nicht Entwurfsmodelle sind, sondern Konkretionen ohne Anwendung. Von einer angepressten Porzellanschicht brüchig umzogen, in der Schichtung hölzernen Witterungsstrukturen gleich, erscheinen sie als undurchdringliche Pforte. Klare Form und sensible Oberfläche betonen bei ihr durch Akzentuierung die Materialität des Werkstoffes und überschreiten informellig die Tradition des Kunsthandwerks.
Konstruierte Abstraktion
Dieter Crumbiegel, der seit 1984 wieder malt, sucht Neuland in einer abstrakten Bildwelt, die nichts abbildet, die nicht musikalischen, seriellen oder geometrischen Ordnungsprinzipien folgt, die nicht durch gestische Impulse existenzialistisch verwundete Spuren finden oder psychologische Ursprünge zu Tage fördern will, die nicht höheren Formprinzipien wie einem Ausdruck von Harmonie oder Freiheit zustrebt und auch nicht therapeutisch Farbvorlieben deuten oder Lockerung des Körpers sein will. Er ist Maler, der zunächst mit Materialien, Werkzeugen, Lösungsmitteln, Bindungskräften, Untergünden und Formaten zu tun hat. Er geht den Gestaltungsprozess konstruktiv an. Leinwände geben nach, lassen wenig Druck zu oder führen liegend zu Farbinseln. In der Suche nach einem persönlichen Bildraum wählt er bald Mdf-Platten oder Leichtbauplatten, die Widerstand bieten oder dünne glatte Verläufe mit Rakeln und Zügigkeit ermöglichen. Sein forschender Gestaltungsprozess findet ohne Skizze oder Entwurf mit der Erfahrung vergleichenden Sehens und Materialgespür aus der Beliebigkeit eines Bildbreichaos eine selektierende Ordnungsstruktur, die nicht schon bekannten Prinzipien von goldnem Schnitt, Kontrasten oder guter ästhetischer Form folgt.
Bildentwicklungen
Mit jeder Anfangssetzung auf die weiße Leinwand werden die Möglichkeiten, zu reagieren, eingeschränkt. Das ist vergleichbar mit der Wortwahl, die einem Gedanken mitteilen soll. (Pferd, Zossen, Klepper…) Kleists „langsames Entwickeln der Gedanken beim Reden“ folgt konstruierend einem Ziel und hat ein internes Empfinden dafür, ob die Argumente oder Erzählungen stimmig und ausführlich genug präzisiert wurden. So ist dem Maler der Weg, aber nicht die Ausführung klar, die Intensitätskontrolle herausfordert, bis die laue Unfertigkeit keine Korrektur mehr braucht. So verhindert die malende Person Beliebigkeit und vermag einen bestimmten Stil zu leben oder Ausdruck zu formulieren. Dieter Crumbiegel reizen als spontanem Kurzstreckenläufer durch je andere Setzungen sich ergebende Herausforderungen, die nicht auf Wirkungen, dekorative Oberflächen oder Methodik aus sind, Von gestisch umkreisten Zentren, über splittrige Rhythmen zu strukturierten Flächenfeldern entwickeln sich immer komplexere Bildräume mit weniger Setzungen. Er zielt auf die Verbindung spontaner und planerischer Phantasie und setzt der Masche, der klinischen Perfektion und der Harmonie vom Reißbrett die modulierte individuelle Tagesform, die grenzüberschreitende Freiheit des Geistes entgegen. Mit detailreich kalkuliertem Ungleichgewicht bleibt Spannung als anregendes Prinzip ohne Störfelder in gestauchten, gekreuzten, geschichteten und gebrochenen Farbspuren lebendig. Es sind gegenstandslose Ergebnisse eines offenen strukturierenden Dialogs zwischen Ich, Welt und Material mit Experimentiergeist, der weiterstrebt. Die Wirkung hängt dann von der Resonanz der Betrachter ab. \
bis 16.9.
Dieter Crumbiegel – „Malerei 1984-2018“
Marlies Seeliger-Crumbiegel –
„Keramische Plastik“
Forum für Kunst und Kultur Herzogenrath in der Euregio
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