von Sebastian Dreher
Den Begriff Politesse findet Melanie Boeker OK. „Offiziell heißt es ja ‘Überwachungskraft des ruhenden Verkehrs’“, erklärt die 28-Jährige. Und das Wort „ruhend“ ist dabei der springende Punkt. „Wenn jemand über Rot fährt oder ein Handy am Ohr hat, ist das primär nicht unsere Aufgabe– das ist Sache der Polizei.“ Steht allerdings ein Auto im Park- oder Halteverbot, auf einen Schwerbehindertenparkplatz oder auf dem Gehweg, fühlt sich Boeker an der Ehre gepackt.
Sünder mit Ausreden
„Wenn es um Schwerbehindertenparkplätze geht, drücke ich kein Auge zu“, sagt sie bestimmt. „Wer falsch parkt, muss dazu stehen.“ Natürlich versuchen die meisten Verkehrssünder sich herauszureden. „Wenn ich für jedes ‘Ich wollte nur mal kurz’ einen Euro bekommen würde, wäre ich reich.“
Seit fast fünf Jahren ist Melanie Boeker nun bei „der Truppe“ – und sie ist immer noch begeistert von dem Job, von dem sie schon in jungen Jahren schwärmte: draußen sein, sich unabhängig eine eigene Route wählen, mit Menschen sprechen, für Ordnung sorgen.
Traumjob trotz Anfeindungen
Was Boeker ihren Traumjob nennt, schürt bei vielen Autofahrern allerdings den blanken Hass. Übergriffe auf Ordnungsamtsmitarbeiter sind auch in Aachen keine Seltenheit – und wenn keine körperlich Gewalt zum Einsatz kommt, dann doch das komplette Fäkal-Vokabular. Schlampe, Mittelfinger, oft wird auch das Wort mit ‘F’ benutzt. „Viele sind erst freundlich, werden dann aber schnell aggressiv“, weiß die ausgebildete Bürokauffrau. „Es gibt aber auch Menschen, die gleich einsichtig sind – zum Glück die Mehrzahl. Wie würde es wohl in Aachens Straßen aussehen, wenn es keine Parkordnung gäbe?“
Tätlich angegriffen wurde sie glücklicherweise noch nicht, doch es war einige Male ziemlich knapp. Etwa als ein Fahrradfahrer sie so laut angebrüllt hat, dass sogar vorbeifahrende Autos angehalten haben. Oder als sie einen Mann davon überzeugen wollte, dass er nicht auf dem Taxistreifen stehen darf. Der sah das anders und hat seiner Meinung mit wedelnden Fäusten Nachdruck verschafft. Die Polizei hat letztendlich die Kollegin gerufen, Boeker selbst war zu perplex.
Aus Sicherheit zu zweit
„Ich habe einmal einen Selbstverteidigungskurs mitgemacht“, sagt sie. „Dort wurde uns gezeigt, wie man ruhig argumentiert, sich aber auch gegen Tritte und Schläge wehrt, wenn es drauf ankommt. Ich hoffe allerdings, dieses Wissen niemals anwenden zu müssen.“
Aus Sicherheitsgründen sind Politessen immer zu zweit unterwegs und haben die Kollegin stets in Sichtweite. Boeker weiß das zu schätzen: „Auf mein Team kann ich mich verlassen. Wenn eine von uns Streit bekommt, ist die Andere sofort zur Stelle.“ Was nicht heißen soll, dass Politessen ständig in Konflikte verwickelt werden. „Wir machen mehr, als nur aufzuschreiben. Ob nach dem Weg gefragt wird, ein Kinderwagen in den Bus gehoben werden muss oder jemand ein anderes Anliegen hat – wir helfen“, beschreibt es Boeker.
Kein Freiparken für Freunde
Und dazu gehört eben auch das Durchgreifen bei Ordnungswidrigkeiten, die in ihr Aufgabengebiet fallen – neben Parkvergehen übrigens auch abgelaufene TÜV-Plaketten. „Leute, die mich kennen, hoffen schon mal auf eine Sonderbehandlung.“ Doch da bleibt Boeker schon aus Prinzip hart. „Auch Freunde haben kein Freiparken.“
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