Macbeth — Très Très Fort ist eine Annäherung von Monika Ginstersdorfer und Knut Klaßen an Shakespeares Macbeth im Rahmen einer bisher dreiteiligen Reihe, die bereits Othello und Hamlet umfasst hat. Dabei arbeiten Ginstersdorfer/Klaßen mit Schauspielern des Theater Aachens und Tänzern von der Elfenbeinküste mit dem Ziel, zu einer interkulturellen Auseinandersetzung zu zentralen Themen zu gelangen. Die zentralen Themen des Macbeth sind zum einen die Machtgier und Skrupellosigkeit sowohl von Männern als auch Frauen, sowie die Hexenszenen, in denen Macbeth seine Zukunft prophezeit wird. Genau auf diese Punkte konzentrieren Ginstersdorfer/Klaßen ihre Inszenierung. Gewaltsame Usurpation von Macht und Glaube an Hexerei sind in Afrika noch immer Realität. Dies nutzt das Regiekonzept, um in willkürlich anmutenden, teils improvisierten Szenen die zentralen Aspekte des Macbeth immer wieder vorzuführen. So zum Beispiel die Frau die zum Hexer geht, um ihre Rivalin mit bestialischem Zauber auszuschalten. Oder die Erzählung über Mobutu, den langjährigen, grausamen Diktator des Kongo, der sich als gottgleicher Herrscher generiert und das Volk verblendet. Oder die Geschichte eines Mannes, der einen Pakt mit dem Teufel eingeht, um unermessliche Reichtümer anzuhäufen, dabei aber einen seiner Söhne opfern muss, der zum Spastiker wird. Auch der Verfolgungswahn Macbeths spiegelt sich in einer Szene wieder, in der quasi alles, was positiv ist, als Resultat negativer Machenschaften erklärt wird.
Die deutschen Darsteller (sehr stark Elke Borkenstein und Joey Zimmermann) dienen dabei als Sprachrohr der afrikanischen Performer (ebenso beeindruckend Gotta Depri und Franck Edmond Yao), deren Erzählungen sie übersetzen. Aber sie sind auch Partner in den einzelnen Szenen, die die Geschichten mit in Gang setzen. Vieles mag den „aufgeklärten“ Europäer schmunzeln lassen, insbesondere die detaillierten Ausführungen wie die Hexenzaubereien funktionieren; dennoch ist eine Verbindung zu ureigenen kulturellen Traditionen Europas zu spüren. Dies gelingt zum einen natürlich durch die Auseinandersetzung mit einem der großen Klassiker der europäischen Literatur, dem Macbeth; aber der Abend lässt auch Gedanken aufkommen an die nicht sehr weit zurückliegende, eigene Geschichte des Glaubens an Hexen und deren brutale Verfolgung noch im 17. Jahrhundert. Und blutige Kämpfe um Macht sind auch in Europa aktuell, wenn man nur an den Balkan denkt oder die Konflikte zwischen separatistischen Gruppen in Irland und Spanien. Leider zeigte der Abend jedoch auch, wie weit wir noch von einem gleichberechtigten interkulturellen Dialog entfernt sind, denn die wenigsten Zuschauer schienen bereit, sich auf die afrikanischen Geschichten und, noch wichtiger, die Erzählweise und den Rhythmus der afrikanischen Darsteller wirklich einlassen zu wollen. Insgesamt haben Ginstersdorfer/Klaßen ein un- und außergewöhnliches, aber wenn man bereit ist, sehr spannendes Theatererlebnis geschaffen. /// Tanja Sprungala
Termine:
10., 12., 22. und 23.12., 20 Uhr
„Macbeth — Très Très Fort“
Kammer, Theater Aachen
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