Herr Schnitzler, der ECE-Geschäftsführer Gerd Wilhelmus hat im WDR-Interview gesagt, mit den neuen Plänen für eine Erweiterung der Kaiserplatzgalerie würden die Einzelhändler in Aachen mehr Umsätze machen als es heute der Fall ist. Was halten Sie von dieser Aussage?
Das ist eine strategische Aussage, die als Gegenimpuls zu den aktuellen Protesten zu verstehen ist. Sie zielt auf die begründete Kritik ab, dass eine Shopping-Mall von der Dimension der Kaiserplatzgalerie die Kaufkraft von den existierenden Geschäften in Aachen abzieht. Aber: Eine Vergrößerung der Kaiserplatzgalerie wird den Einzelhandel natürlich noch viel stärker bedrohen.
Woraus schließen Sie das?
Eine Verlagerung der Kaufkraft ist messbar. Nach einem höchstrichterlichen Urteil muss ab 10 Prozent Kaufkraftverlagerung durch ein neues Einkaufszentrum eine Genehmigung durch die Bezirksregierung erteilt werden. Es gab zur Kaiserplatzgalerie zwei Gutachten der IHK. Das erste kam auf eine Prognose von etwa 14 Prozent. Dann wurde dieser Wert korrigiert, nach unten auf rund 9 Prozent. Das neue Vorhaben mit einer Erweiterung der Verkaufsfläche von 6.000 Quadratmetern entspricht einer Vergrößerung um mehr als ein Viertel. Damit steht fest: Die magische Grenze von 10 Prozent wird überschritten.
Der Einzelhandelsverband hat sich bereits positioniert. Er lehnt die Pläne ab.
Ja, ich deute das als Zeichen, dass die Ablehnung insgesamt auch zunehmen wird. Ich denke, dass auch aus der Städteregion Protest kommen wird, denn natürlich wird auch von dort mehr Kaufkraft in Richtung Aachen abgezogen.
ECE und Strabag machen offenbar die weiteren Schritte für die Realisierung der ursprünglichen Planung unmittelbar von der Erweiterung abhängig. Das heißt, sie setzten der Stadt die Pistole auf die Brust: Entweder drehen wir das noch größere Rad oder wir lassen Euch noch ein bisschen schmoren?
Ich sehe das ganz klar als Versuch einer Erpressung der Ratspolitik. Zugleich sehe ich aber auch, dass das ein strategisches Instrument ist, um weitere Zeitverzögerungen zu begründen. ECE und Strabag benennen immer noch keine Ankermieter. Das wirft die Frage auf, ob sie überhaupt ernstzunehmende Kandidaten haben.
Andererseits stehen die neuen Investoren aber unter Druck. Die Stadt pocht auf die Einhaltung von Fristen.
Der Grund ist einfach: Die Parteien wollen das Thema natürlich aus der nächsten Kommunalwahl raushalten. Ich bin mir sicher, dass sie langsam Angst bekommen, dass dieses von ihnen mit überwältigender Mehrheit gewählte Projekt in die Hose geht.
Wie haben die jüngsten Entwicklungen die Pläne der Bürgerinitiative verändert?
Es ist alles bestätigt worden, was wir an Kritik geäußert haben. Was jetzt an neuen Plänen präsentiert wurde, ist absolut abzulehnen aufgrund der städtebaulichen und wirtschaftlichen Problematik. Der alte Plan war unerträglich, der neue ist Wahnsinn.
Welches Vorgehen wäre vernünftig?
Vernünftig wäre, wenn die Stadt diesen verrückten Argumenten der ECE eine klare Absage erteilte. Das wäre der erste vernünftige Schritt. Und der zweite wäre, den Durchführungsvertrag mit den neuen Investoren nun mit einem Blick für die reale Situation zu überarbeiten. Man muss über das alte Projekt neu verhandeln, mit dem Ziel, den Bebauungsplan so verträglich wie möglich abzuändern.
Was bedeutet verträglich, welche Veränderungen sollten diskutiert werden?
Die Stadt braucht dort Wohnungen und kein Parkhaus. Es gibt dort unglaublich viel Volumen für Wohnraum. Und es sollte darauf gedrängt werden, dass in dem Projekt kleine, inhabergeführte Einzelhändler bevorzugt behandelt werden, wenn sie sich für eine Ansiedlung entscheiden.
Welches Szenario halten Sie denn für realistisch?
Meine Befürchtung ist, dass die Stadt sich erpressen lässt. Und wenn ECE, Strabag und die Stadt den Vertrag tatsächlich umsetzen und einen neuen vorhabenbezogenen Bebauungsplan abschließen sollten, befürchte ich wiederum weitere Verzögerungen und Hinhaltetaktiken seitens der Investoren. Wie gesagt, es gibt bislang keinen einzigen bekannten Ankermieter. Aber ohne Vermietungsquote, ohne Mietverträge gibt’s keine Kredite.
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