Von Christina Goerres
Früher einmal der Inbegriff von Spießigkeit und strengen Regeln, locken Schrebergärten heute immer mehr junge Familien an, die den Kleingarten als ideale Ergänzung zur eigenen Stadtwohnung erkannt haben. Ein Beispiel aus Burtscheid zeigt, wie ein Tag im grünen Mikrokosmos aussehen kann. Samstagvormittag im Aachener Stadtteil Burtscheid.
Eine junge Familie packt einen Korb mit reichlich Essen und Wechselkleidung für einen entspannten Tag im Schrebergarten, der nur einige hundert Meter entfernt liegt. Gleich nach der Ankunft werden die in Eierkartons herangezüchteten jungen Gemüsepflanzen auf ihren Zustand überprüft.
Nach einem kurzen Wettercheck wird das Einpflanzen im groß angelegten Beet noch ein wenig verschoben, denn der frühjährliche Kurzzeitfrost könnte den liebevoll gehegten Pflänzchen den Garaus machen. Dann geht es ans Unkraut zupfen, Rasen mähen und Sandburgen bauen. Ein kleiner Plausch mit den direkten Nachbarn bringt auch an diesem Wochenende wieder wertvolle Tipps ein. Im Laufe des Nachmittags wird noch das neue Gewächshaus aufgebaut, das das Ernten von Tomaten und Gurken auch im kühlen Herbst möglich macht. Der Kleingarten zwischen Gillesbachtal und Erzbergerallee wirkt fern von Spießigkeit, böse dreinblickenden Gartenzwergen und hauptsächlich alten, verschrobenen Kleingärtnern.
Ganz im Gegenteil: Die erfahrenen Kleingärtner nahmen die Familie Bauer nach erfolgreicher Bewerbung offen und herzlich auf. Regeln gibt es dennoch, sie behüten die gemeinschaftlichen Flächen und sind für den Zusammenhalt der Vereinsmitglieder von großer Bedeutung. Zum Beispiel sollte sonntags und an Feiertagen Lärm vermieden werden. Kein Zwang, sondern eine Form der Rücksichtnahme.
Nahes Glück
Der gepachtete Schrebergarten ist für die Neulinge ein wiederentdeckter Heimatschatz. Das Erholungsglück nahe dem eigenen Zuhause zu finden und nicht mehr meilenweit reisen zu müssen, ist für die Burtscheider Familie der Grund, den Garten an die erste Stelle ihrer Freizeitgestaltung zu setzen. Dass dieser kontinuierlich gepflegt und gehegt werden will, versteht sich von selbst. Die Bewegung an der frischen Luft löst Glücksgefühle aus und auch das sonst so quirlige Kind ist abends wohlig müde. Dem launischen Aachener Frühjahrswetter wird mit Schlammhose und Gummistiefeln getrotzt.
Der Kleingarten im Block 2 ist einer von 113 Gärten des Vereins, die sich insgesamt auf dem oberen Teil des Gillesbachtals und der Erzbergerallee bis in die Richtung des Frankenberger Viertels erstrecken. Spieljubel von dem großen Sportplatz um die Ecke lässt am Wochenende eine dörfliche Akustik in die Kleingärten hinüberschallen. Der grüne Mikrokosmos ist nur wenige Minuten von der Innenstadt entfernt.
Die meisten Kleingärtner im Verein sind schon viele Jahre, manche auch Jahrzehnte, dabei. Die Schrebergärten sind individuell bepflanzt und dekoriert. Akkurate und geometrisch anmutende Beete wechseln sich mit wilden Wiesen und liebevoll gestalteten Gartenlauben ab. Eine Norm ist weit und breit nicht zu finden, dafür aber gute Ideen und clevere Lösungen. Kleine Spaziergänge lohnen sich daher, um sich bei den erfindungsreichen Nachbarn etwas Nützliches abzuschauen.
Natur statt Medien
Eine Kombination aus blühender Erde und meditativer Gartenarbeit macht alle Mitglieder der frischgebackenen Kleingartenfamilie insgesamt zufriedener. Weniger Aufmerksamkeit wird auf digitale Medien gerichtet und weniger Unnötiges konsumiert. Die wesentlichen Dinge des Lebens – ein bisschen Gemüse anbauen, handwerkliche Aufgaben erledigen und zusammen wertvolle Zeit an der frischen Luft verbringen – hat die Freizeit und die Stimmung der Familie Bauer enorm bereichert.
Seit November letzten Jahres gehören die beiden Anfang Dreißigjährigen zu den ökologischen Idealisten und Hobbygärtnern und versuchen, mit selbstangebautem Gemüse dem wöchentlichen Einkauf im Supermarkt bald ein Schnippchen zu schlagen.
Für ihr Kleinkind ist es ein Spieleparadies und es lernt behutsam die Wunder der heimischen Natur kennen. Achtsam werden Regenwürmer im Angesicht einer Schaufel in ein anderes Beet evakuiert und es wird Freundschaft mit einem Rotkehlchen geschlossen, das die Familie mit seinen häufigen Besuchen beehrt. Der durchschnittliche Zeitaufwand für die Pflege des Kleingartens beträgt mehrere Stunden in der Woche.
Auch im Herbst und im Winter fallen kleinere Aufgaben an. Die Hauptgartenzeit beginnt im Frühjahr und erstreckt sich bis in den Spätsommer und frühen Herbst hinein. Im Ganzen ist das grüne Hobby ein Paralleluniversum für fleißige und naturbewusste Idealisten. Es fordert viel Zeit und Mühe und ist gleichzeitig ein großer Gewinn an Lebensqualität. \
Homepage zu Kleingartenvereinen
Homepage der "Gartenfreunde in Aachen"
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