„Krise? Welche Krise?“ You name it, anscheinend braucht heute alles einen Slogan, was nicht bei drei im Einkaufswagen ist. Mit der bereits im Frühjahr ausgerufenen Krisen-Programmatik hat sich das Theater Aachen keinen Gefallen getan, insbesondere weil der Zusammenhang mit der Spielplanbestückung nicht recht kommunizierbar war, sogar zurechtgebogen wirkte. Eine Diskussion, eine noch nicht gestellte Frage, eine neue Antwort auf die bekannten Probleme Arbeitslosigkeit, Armut, Orientierungslosigkeit, Entwurzelung gab es nicht. Die Phantasie reichte auch nicht wirklich zur Provokation. In der Aufführung von „Mandy und die Wirtschaftswaisen“ kulminierten dann auch die Plattitüden zum Thema „Wir da unten, Ihr da oben“.
Lässt man die Opernpremieren Revue passieren, zeigt sich ein deutlicher Hang zum modernen Regietheater. Ausnahmen waren die hervorragende „Zauberflöte“ und „Räuber Hotzenplotz“ — beides meisterhafte Inszenierungen, tolle Sänger, der Hotzenplotz ein gelungenes Beispiel, wie man junge Zuschauer ins Theater holt.
Doch warum gelingt es manchen Regisseuren, wunderbar durchdachte, überzeugende Regiekonzepte zu entwickeln — zum Beispiel Michael Talkes Inszenierung von Gounods „Faust“, während andere Inszenierungen sich in sinnlosem, mutwillig anmutenden Aktionismus und sinnleerem Symbolismus ergehen? Der Herbst bot leider gleich zwei solcher Theaterabende mit „Pelléas und Mélisande“ unter der Regie von Eva Maria Höckmayr und dem „Falstaff“, den Alexander von Pfeil auf die Bühne brachte. So etwas langweilt und macht teilweise wütend, wenn das Gefühl aufkommt, dass die Regie nur provozierend avantgardistisch sein will. Manchmal ist eben auch im modernen Regietheater weniger mehr. Schaut man zurück auf die zahlreichen Schauspiele in 2009, so sind es einige Inszenierungen, die wirklich im Kopf bleiben. So war „Motortown“ ein tolles Stück, glänzte nicht zuletzt durch die Leistung von Gastschauspieler Florian Schmidt-Gahlen. Die Themenwoche rund um das Stück — mit Egon Ramms und Avi Primor zu Gast — war den hohen Aufwand wert und mit der Prominenz am Rande konnte man sich überregionaler Beachtung sicher sein. Auch mit „Abgang“ verschaffte man sich bundesweite Presse. Autor Vaclav Havel kam zur deutschsprachigen Erstaufführung seines Stücks nach Aachen, Standing Ovations, hauptsächlich für den Meister. Im Mörgens landete Regisseurin Bernadette Sonnenbichler mit „Törleß“ einen vollen Treffer, auch mit der Besetzung. Einfach großartig spielte Fredrik Jan Hoffmann, der leider nach der Spielzeit 2007/2008 nicht mehr am Theater Aachen bleiben wollte.
Wie jedes Jahr gab es natürlich auch 2009 die Blockbuster, Kassenschlager wie die „Dreigroschenoper“, die dabei helfen, die Stadt Aachen-Prämisse „volles Haus“ zu erfüllen.
Große Produktionen gab es auch beim Theater K. Schillers „Die Räuber“ inszenierte Wolfgang Franßen modern, schillernd und so gar nicht altbacken. Vorab als Vorzeigeprojekt euregionaler Zusammenarbeit der Stadt Aachen geteast wurde „Die Wunschkammer“, eine Kooperation von Theater K und dem niederländischen Theater Het Verfolg. Leider war die Resonanz in Aachen viel zu gering. Den Personalwechsel des Jahres gab es dieses Jahr beim Grenzlandtheater. Aachens Allrounder Uwe Brandt löste zur neuen Spielzeit Manfred Langner ab. Und? Neuer Name, altes Erfolgsrezept. Aber warum auch nicht, es funktioniert ja so gut. Im DAS DA Theater gab es dieses Jahr neben dem Selbstläufer auf der Burg Frankenberg viel für junge Zuschauer: „Prinz Ben und Tina Rosina“, „Flimmer-Billy“, „Lilly unter den Linden“ und zuletzt „Wehr Dich, Mathilda!“ Alles Stücke, in denen Kinder lachen und lernen.
Enttäuschungen in 2009? Nach dem vierten und letzten Teil der Herscherdramen Mozarts im März 2008 mit Lucio Silla wartete man gespannt auf die Aufführung des gesamten Zyklus in der grandiosen Inszenierung von Ludger Engels. In Kooperation mit dem Theater Freiburg sollten in zweitägigen Abständen alle vier Teile präsentiert werden — so war es geplant. Doch leider scheiterte das Projekt an den Kosten. Eine Hauptschuld daran tragen auch die Musikverlage, denn anstatt nur die Gebühren zu erheben, die für Wiederaufnahmen zu errichten sind — und nichts anderes wäre es gewesen — forderten sie die weitaus höheren Zahlungen für Premieren. Hier fiel leider eine Riesenchance den Einsparungszwängen zum Opfer.
Text: Lutz Bernhardt, Tanja Sprungala, Barbara Taxhet
Foto: Carl Brunn
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