Noch dazu, weil es ihre Mutter und ihr Vater nie zu etwas gebracht haben und die Familie deswegen noch immer auf „der falschen Seite der Eisenbahngleise“ im schäbigeren Viertel der kalifornischen Hauptstadt lebt. Mit alledem will „Lady Bird“ kurz vor ihrem Schulabschluss nichts mehr zu tun haben. Als sie über die Freundschaft mit einem jungen Musiker (Timothée Chalamet aus „Call Me by Your Name“) Zugang zu den elitäreren Kreisen unter ihren Mitschülern erhält, verschanzt sie sich hinter Lügen und behauptet, in einem der nobelsten Häuser der Stadt zu wohnen.
Ihrer Mutter Marion (Comedy-Urgestein Laurie Metcalf) gegenüber verheimlicht sie sogar, dass sie sich um ein Stipendium an den renommierten Hochschulen in New York beworben hat, weil sie endlich dem Kleinstadtmief entkommen möchte.
Man benötigt keine allzu großen Kenntnisse über die Herkunft und den Werdegang von Regisseurin und Drehbuchautorin Greta Gerwig („Frances Ha“), um bei „Lady Bird“ autobiografische Parallelen auszumachen. Die Tragikomödie ist dermaßen in Sacramento verankert, dass sie nur von jemandem geschrieben worden sein kann, der die Stadt gut kennt.
Das kommt abgewandelt auch im Film selbst zur Sprache, als eine der Nonnen an der katholischen Schule, die die Protagonistin besucht, ihr eine Liebe zu Sacramento attestiert, weil sie dermaßen detailliert über die Stadt schreiben kann. Das trifft voll und ganz auch auf Gerwig zu, die trotz ihrer eigenen Flucht in die Metropole New York und ihres Aufstiegs zum Star des Mumblecore-Independentkinos die Liebe zu ihren Wurzeln und ihrer Familie nicht verheimlicht.
Voller Zärtlichkeit berichtet sie in ihrer mehrfach preisgekrönten, zweiten Regiearbeit von den Unterschieden und Streitpunkten zwischen den Generationen, die zwar ständig Zündstoff für Auseinandersetzungen liefern, aber dennoch von der Zuneigung innerhalb der Familie zeugen. Die größte Stärke dieses aufrichtigen, berührenden Mutter-Tochter-Porträts, das für fünf Oscars nominiert war, ist sein leiser, intelligenter Humor: Wirkungsvoll sorgt er nicht nur für Erheiterung, sondern entschärft auch die ausgetragenen Konflikte in den dramatischeren Momenten der einfühlsam erzählten Geschichte. \
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