„Zuschauer!“, ruft plötzlich eine laute Stimme und die Wirtin Mirandolina, wunderbar bodenständig verkörpert von Anne Noack, betritt die Bühne. Eine Frau, der man ansieht, dass sie mit beiden Beinen fest im Leben steht, das lange Haar funktional hochgesteckt und mit „dreckiger Schürze“. Sie ist ihr eigener Herr, stolz auf ihr Gasthaus, mit dem sie sich selbst ein eigenes Gewerbe geschaffen hat und daher unabhängig von einem Mann leben kann. Doch die Männerwelt scheint nicht ohne sie leben zu können.
Die der Dame auf die Bühne folgenden Herren wünschen sich nämlich nichts sehnlicher, als endlich von ihr erhört zu werden. So überhäuft sie der reiche Baron von Ciccio (Bernhard Schnepf) mit teuren Geschenken, da er aufgrund seines fortgeschrittenen Alters im Rollstuhl sitzend, kaum auf andere Vorzüge als sein Geld zurückgreifen kann. Dem entgegen steht der mittellose und verschuldete Marchese von Albafiorita (Tobias Steffen), der nicht mit Schmuck, dafür aber mit „Protektion“ und seiner tiefen Zuneigung sowie, ganz nebenbei, einer extravagant gesträhnten Perücke aufwartet.
Dem stets fluchenden Kellner Fabrizio (Toni Gojanovic), der ebenfalls ein Auge auf die schöne Mirandolina und ihr Gasthaus geworfen hat, gefällt das Werben der beiden anderen Herren gar nicht, sodass er einen Weg finden muss, die Nebenbuhler auszuschalten. Gerissen wie er ist, werden schleunigst zwei Schauspielerinnen engagiert, die sich als reiche, adelige Damen ausgeben, um die Herren abzulenken. Dieser Plan geht auf, doch damit ist das Ziel des Kellners, seiner Angebeteten nahe zu kommen, noch nicht erreicht. Denn diese hat es sich unterdessen zur Aufgabe gemacht, den frauenverachtenden Cavaliere Rippafratta, ein von Mario Thomanek überzeugend angenervt dargestellter Charakter, zu bekehren und ihm die Vorzüge der Damenwelt zu zeigen. Zu einem mit Liebe zubereiteten Mahl (Wildschwein mit Mandelblättchen – himmlisch!) kann dann auch der verbissenste Mann nicht nein sagen…
Es bilden sich Intrigen und Verwirrungen, denen der Zuschauer mit Spannung folgt. In 85 Minuten zeigen die Schauspieler ihr Handwerk, rufen Sympathie und Abneigung hervor und wirken in jedem Fall überzeugend. Regisseur Achim Bieler erzeugt durch den hin und wieder eingesetzten Kniff des Aussteigens aus der Handlung besonders spaßige Momente, bei denen auch schonmal der eigene Monolog infrage gestellt wird.
Noch bevor es losgeht, fällt bereits das zunächst spartanisch wirkende Bühnenbild auf, das sich aus mehreren rollbaren Holzwänden und einem großen Vorhang zusammensetzt. Im Verlauf des Stücks stellt sich heraus, dass sich die beiden Bühnenbildner Michaela Gabauer und Frank Rommerskirchen damit eine raffinierte Konstruktion ausgedacht haben, die durch schnellen Umbau komplett neue Räume entstehen lässt. Natürlich ist auch die Burg selbst für das besondere Flair zuständig, das das Eintauchen in historische Ereignisse unterstützt.
Insgesamt erlebt man auf der Burg einen schönen Abend, bei dem viel gelacht wird, der aber auch zeigt, dass manche Probleme in Bezug auf die Rolle der Frau von 1753, dem Jahr in dem das Stück entstand, auch heute noch ganz aktuell sind. Obwohl es sich diesmal nicht um Romeo und Julia oder Hamlet handelt, kann man sich auf eine brillante Komödie Carlo Goldonis, dem Reformator des italienischen Theaters seiner Zeit, freuen, die den Werken des großen William Shakespeare in nichts nachsteht. \ sim
„Mirandolina“
bis zum 26.7.
21 Uhr, Burg Frankenberg
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