Dass es ein Daueraufenthalt sein soll, ist Paul Sheldon beim Erwachen in Annie Wilkes‘ abgelegener Hütte noch nicht bewusst. Überhaupt muss der gefeierte Autor der Kitsch-Reihe „Misery“ die ein oder andere Neuigkeit sortieren: Eben noch per Dankesrede einen Buchpreis entgegengenommen; jetzt nach einem Autounfall mit bandagierten Beinen von einer ihm unbekannten Dame umsorgt.
Und diese hat – so darf man getrost sagen – ordentlich einen an der Waffel. Schnell entpuppt sich Annie nämlich als glühende „Misery“-Fanatikerin, die bislang sämtliche Werke aufgesogen hat. Keine besonders glückliche Ausgangslage für den aufs Bett angewiesenen Sheldon.
Düsteres Kammerspiel
Achim Bieler adaptiert den Stephen King-Stoff für die Das Da-Bühne und inszeniert ein düsteres Zwei-Personen-Kammerspiel. Neben den beiden Darstellern Wieslawa Wesolowska und Bernhard Schnepf rauschen lediglich vereinzelte Videoeinspieler ins Stück, Nachrichtensprecher, die von der Suche nach dem Star-Autor berichten.
Im Zentrum der Inszenierung (Bühnenbild: Frank Rommerskirchen) befindet sich das Bett, das zum Gefängnis Sheldons werden soll; eine Etage höher haust symbolträchtig Annie.
Mit Wasser und Schmerzmitteln hält die einstige Krankenschwester ihren „Patienten“ kurz: „Ihr Leben stand ein- bis zweimal auf der Kippe.“ Sheldons Zigaretten, Verzeihung!, „Krebsstäbchen“ hat sie längst entsorgt.
Zweifelhafte Fürsorge
Dem Darsteller-Duo gelingt es ausgezeichnet, den sukzessiv heran kriechenden Horror zu verbildlichen. Wesolowska gibt die Furie, als sie im neuesten Werk des angehimmelten Autors lesen muss, dass die Romanheldin aus dem Leben scheidet.
Da ist Schluss mit der (ohnehin zweifelhaften) Fürsorge und Sheldon wird durch Tablettenentzug genötigt, einen Nachfolger zu schreiben, um dieses Missverständnis in Ordnung zu bringen.
Spätestens da schnellt der Grusel-Faktor im Das Da in die Höhe: Paul Sheldon wird nur überleben, so lange er schreibt.
Schonungsloses Vorgehen
Wie schon die mittlerweile 26-Jahre-alte filmische Adaption von Rob Reiner vereint „Misery“ auf der Bühne psychische und physische Gewalt: Dies gipfelt in der sogenannten „Metzger-Szene“, in der Annie dem Fluchtwilligen mit einem Beil den linken Fuß abtrennt. Ein Vorgehen, das im Film aufgrund von Bedenken abgeschwächt wurde – Aachens Annie Wilkes zieht das Beil jedoch im wahrsten Sinne des Wortes durch.
Frenetischer Premieren-Applaus für das dicht erzählte, klaustrophobische Stück, das durch die schonungslose Grausamkeit Wesolowskas lebt, immer aber auch durch den lakonisch-schwarzen Humor Bernhard Schnepfs durchbrochen wird. \ rt
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