Ohne kathartischen Schluß?
Wer ist Wassa Schelesnova?
Eine Geschäftsfrau auf deren Schultern die Verantwortung für ein großes Unternehmen liegt. Genauer gesagt für eine Kachel-, Torf- und Ziegelfabrik. Ihr Mann liegt im Sterben – ganze zwei Akte lang – und sein Bruder, ein russisches Urvieh, will mit dessen Tod seine Anteile aus der Firma ausgezahlt haben.
Ihre beiden Söhne träumen lieber von einer unrealistischen Zukunft, als in den Familienbetrieb einzusteigen und ihre einzige Tochter verließ bereits vor Jahren das Haus für einen Mann. Sie ist eine Strategin und Taktikerin, die einzig das Ziel verfolgt, die Firma zu erhalten. Den Sinn ihres Lebens. Für die Kinder? Das ist eine große Frage. Und da beginnt der Krimi.
Ein richtiger Krimi?
Ja, ein Krimi mit heutigen Themen. Was ist mit der Jugend passiert, dass sie die Verantwortung nicht mehr übernehmen will oder kann? In dieser Familie wird mirkokosmisch die Gesellschaft abgebildet. Inklusive List, Hoffnung, Glaube, Utopie, Opfer und Täter. Was macht das mit denen, die übrig bleiben? Ein weiterer spannenden Diskurs. Am Ende sind drei Menschen tot.
Haben sie das Stück ausgewählt, weil es diesen aktuellen Bezug hat?
Zum einen deshalb zum anderen, weil das Thema besonders auch für Aachen augenfällig und interessant ist. Auch hier gab es viele alteingesessene Unternehmen, bei denen die Nachfolge irgendwann auch nicht mehr geregelt war oder ist.
Da fragt man sich doch automatisch: Wann hat man die Kinder verloren? Was haben die richtig gemacht, bei denen es funktioniert?
Erfahren wir denn, wie Wassa ihre Kinder verlor?
Die Kinder sind mittlerweile Erwachsene. Ihre beiden Söhne Semjon und Pawel, verheiratet mit Natalja und Ludmilla, sind seelisch beschädigt. Dennoch möchte Wassa die Firma für sie erhalten. Nur haben die beiden kein Interesse.
Daher ruft sie ihre jüngste Tochter Anna zurück. Zur Fortsezung einer Dynastie. In der Hoffnung, ihre Tochter könne die Kompetenz zur Rettung haben.
Also geht es nur um Wassa und ihre Kinder?
Nein, natürlich nicht. Da gibt es auch noch die Dienstboten und den Verwalter Michailo. Und nicht zu vergessen der Bruder des Sterbenden, Prochor, der sich als zunächst größtes Hindernis für Wassa Plan entpuppt.
Aber dank der kriminellen Energie ihres Verwalters entwickelt Wassa einen „tot“-sicheren Plan. Es geht vor allem um die Frage: Wie funktioniert Macht?
Das klingt nach einem großen Ensemblespiel…
Das ist es auch. Elf Schauspieler stehen gemeinsam auf der Bühne. Und um die seit 20 Jahren bestehende Familiensituation und -konstellation besser darstellen zu können, probe ich mit allen Schauspielern gemeinsam. Außerdem ändert sich rasend schnell die Konstellation der auftretenden Personen, die Situationen, der Fokus einer Szene. Da muss jeder Blick und jede Berührung sitzen.
Und wie wird das Bühnenbild aussehen?
Auf der Bühne wird man die Patina aus Ziegelwand und Stahl sehen. Dahinein gebaut ist das „Zitat“ eines Wohnbereichs, Wassas Arbeits- und Schlafzimmer. Immerhin arbeitet außer Wassa und dem Verwalter Michailo keiner …
Ich versuche die Strukturen von allem so zu spiegeln, dass es heutig ist. Es herrschte damals eine Umbruchzeit vor, genau wie jetzt. Krise folgt auf Krise, genau wie heute. Auch die Kostüme haben wir daran angelehnt und sie dennoch mit Elementen von heute verknüpft.
Abschließend noch eine Frage zu Wassa: Liebt oder hasst sie ihre Kinder?
Tja, das bleibt spannend. Sie liebt ihre Familie, geht aber auch über Leichen. Am ehesten trifft es wohl: Sie will erhalten, was sie geschaffen hat. Eine Realität ohne Utopie, ohne Moral? \ kw
8. (18 Uhr), 14., 21. und 28.5.
„Wassa Schelesnova“
19.30 Uhr, Bühne, Theater Aachen
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