Superhelden und ihre Gegenspieler dominieren momentan die Kinoleinwände. Agenten, Spione und Superschurken faszinieren und polarisieren, wie schon seit Jahren nicht mehr. Und dabei muss man nicht auf Marvel oder DC-Comics zurückgreifen, um eine einzigartige Geschichte inklusive Gut- versus Böse-Menschen zu bekommen. Auch das Theater hat genügend Vorlagen für eine solch explosive Story. Wie zum Beispiel Friedrich Dürrenmatts „Die Physiker“. Klingt erstmal unvorstellbar. Ist aber so. Beim nächsten Besuch der großen Bühne des Theater werden es der Regisseur Christian von Treskow („Warten auf Godot“ und „Der Prozess“ ) und sein Ensemble beweisen.
Inhalt in drei Sätzen
Um einen kleinen Einblick in das doch sehr komplexe Stück zu bekommen, fasst von Treskow „Die Physiker“ wie folgt zusammen: „Ein Physiker, der im Zuge der Forschung die Weltformel fand, zieht sich in eine Nervenheilanstalt zurück, um seine Erfindung geheim zu halten. Zwei Agenten sind auf seiner Spur und lassen sich als Verrückte getarnt einweisen, um sich die Manuskripte unter den Nagel zu reißen. Damit ihre wahre Identität bewahrt bleibt, töten alle drei ihre Krankenschwestern; dennoch kommt die Chefärztin und Leiterin der Anstalt hinter ihr Geheimnis, reißt die Forschung an sich und schickt sich an, mit diesem Wissen die Weltherrschaft anzutreten.“
Klingt kompliziert, ist aber im wahrsten Sinne des Wortes für das Theater gemacht: „Dürrenmatt war ein richtiges Theatertier. Er hat für das Theater geschrieben, selbst inszeniert und vielschichtige Theaterfiguren und absolut spielbare Situationen erschaffen“, begeistert sich von Treskow. „Es gibt im Stück viele unterschiedliche Momente, gespickt mit Metaphern über das Theaterspielen, über die Künstlichkeit der Rollen und über die rollenspielenden Figuren.“ Der Zuschauer wird sich nicht nur einmal fragen, wer betrügt oder lügt hier gerade, dennoch ist das Stück klar konzipiert und gut ausgeklügelt.
Energie, Genome und Groteske
„Es geht im Stück nur vordergründig um den Kalten Krieg. Eigentlich geht es um Ethikfragen. Der Begriff Atombombe oder Atomkraft ist der Entstehungszeit von 1960 geschuldet. Es ist ein Bild der Zeit und wird niemals ausgesprochen“, erklärt von Treskow den Bezug zu heute. Dass eine bestimmte Erkenntnis tödlich sein kann und dass die Forschung nicht nur Positives erschafft, ist eine zeitlose Debatte. Und zeitlos wird auch diese Version der „Physiker“.
Der Schlüssel zu seiner grell-bunten Inszenierung war für den Regisseur ein Blick auf die von Dürrenmatt gefertigten Fresken in dessen „Dürrenmatt-Mansarde“ in Bern: „Zu sehen sind dort grelle überzeichnete Karikaturen extremer Figuren. Dort ist nichts Realistisches mehr in seinen Fresken. Damit hat er ein neues Maß an grotesker Übertreibung freigelegt.“
Auf der großen Bühne wird daher ein Bühnenbild aufgebaut, wie es wahrscheinlich dort auch noch nicht gestanden hat: Eine riesige, knallgrüne Treppe, die sich über die gesamte Bühne zieht, weich gepolstert als Anlehnung an die Nervenheilanstalt, sieben Meter hoch.
Aber wie wird das Stück denn nun? Schrecklich, kriminalistisch oder doch eher witzig? „Wir zeigen eine Groteske. Und eine Groteske impliziert Lächerliches und Schreckliches auf komödiantische Art. Es tun sich am laufenden Band Abgründe auf. Und eins kann ich noch sagen: Der Humor ist trocken und schwarz.“ Nun, das passt ja bestens zum schrillen Grün! \ von Kira Wirtz
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