Von Ulrich Kriest
Wer sonst verbindet die Pop-Finesse einer Band wie Steely Dan mit Indierock-Lässigkeit und der Sentimentalität eines betrunkenen Straßenmusikers?“ fragte schon Bernd Begemann. Unsere Antwort: Die Höchste Eisenbahn. Live zu erleben in diesem Monat im Zinkhütter Hof in Stolberg.
„Draußen ist alles da, auch wenn es niemand bezahlt hat / Der Himmel ist so hoch, wie ich ihn mit Vier gemalt hab / Es ist Montag / Jemand schiebt sein Sofa nachhause / Nebenan auf dem Schulhof / ist Pause.“
Toller Text, aber noch toller das Bild beim ausverkauften Konzert, wenn Gruppen frisch verliebter Mittzwanziger diese Zeilen textsicher mitzusingen verstehen und einander tanzend beim Refrain versichern, ihre Liebe werde „aufgeh’n wie eine Blume“. Kann man ironisch verliebt sein? Francesco Wilking belohnt die Fans live dann gerne mit Anekdoten und Witzen, die damit spielen, sich mäandernd im Nichts zu verlieren. Sehr zur Freude vom sich gern im Hintergrund bewegenden Multiinstrumentalisten Felix Weigt und dem zuverlässig Druck machenden Schlagzeuger Max Schröder.
Es herrschen Zugewandtheit und Enthusiasmus. Das sind tatsächlich Begriffe, die einem als erstes einfallen, wenn man von der Band Die Höchste Eisenbahn und insbesondere ihren ungewöhnlichen Live-Qualitäten schwärmt. Präziser formuliert: Zugewandtheit und Enthusiasmus sind auch das Kryptonit gegen die Spätfolgen von Auftritten in medialen Mainstream-Katastrophengebieten wie dem „Morgenmagazin“ oder „Inas Nacht“. Will sagen: Man muss sich nur einmal den Enthusiasmus der Band bei solchen Auftritten anschauen, um zu bemerken: Die machen hier jetzt gerade zwar Werbung in eigener Sache, aber eben auch Musik, von der sie wissen, dass sie toll ist. Und qualitativ vorzüglich! Kein Mensch käme auf die Idee, Die Höchste Eisenbahn zu jener Gruppe von Deutschpoeten zu zählen, die Böhmermann völlig zurecht als „Industrie-Pop“ kritisiert hat.
Die Höchste Eisenbahn sind keine Betroffenheits- und Befindlichkeits-Troubadoure, sondern Geschichtenerzähler. Allerdings erzählen sie Geschichten voller poetischer Bilder und jener Prise Welthaltigkeit, die eben weiß, dass ein Haus am See nicht ohne Kredit zu haben ist. Eher durch Zufall und Chemie sind sie damals ins Projekt „Band“ gestolpert und haben 2011 gemerkt, dass Singer-Songwriter-Boxbands das nächste große Ding sein werden. Bereits „Schau in den Lauf Hase“, das Debüt der Prenzlberg-Supergroup um Texter Moritz Krämer und Francesco Wilking, war ein Fest für Fans intelligenter deutscher Texte in musikhistorisch informierter Verpackung.
Leicht melancholisch und anspielungsreich wurde vom Boheme-Leben zwischen Prekariat, Familiengründung, Kiffer-Späßchen und „Raus aufs Land“-Fantasien erzählt. Das zweite Album „Wer bringt mich jetzt zu den Anderen“, erschienen im Frühjahr 2016, hob das Niveau lustvoll in schwindelnde Höhen. Munter werden Geschichten mit mehreren Sprechern, wechselnden Perspektiven, Gegenrede und Bedenken entworfen und mit Kirchenorgel-Techno, Philly-Soul-Streichern oder einer chinesischen Viola arrangiert. Beim poetischen Verweben von originellen Einfällen gefällt der Mut zur mutigen Wendung, die beim Hören Vexierbilder produziert.
Neben Pop-Finesse und einer Haltung, die lässig „Reinhard Mey“ auf „Spuk ist vorbei“ reimt, schützen Lebenserfahrung und Ironie vor hohl-merkantilem Indie-Befindlichkeits-Geseier. Sagen wir es offen heraus: In der aktuellen deutschsprachigen Pop-Szene können nur Bilderbuch der Höchsten Eisenbahn das Wasser reichen. Und so unterschiedlich beide Pop-Konzepte auch sind: Beide Bands könnten sich wohl problemlos auf Hall & Oates und Prince als wichtige Inspiration einigen. \
23.6.
Die Höchste Eisenbahn Doppelkonzert mit Okta Logue 19 Uhr, Zinkhütter Hof, Stolberg Im Rahmen des „Kulturfestival X“
der StädteRegion Aachen
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