Kommunikationsprobleme
Es gibt nur sehr wenig Filme, die ihre Überlänge rechtfertigen. Bei diesem Werk hätte man nach 144 grandiosen Minuten sogar noch gerne eine Zugabe. Alejandro Gonzáles Iñárritu hat sich mit nur drei Filmen in die Königsklasse des Weltkinos gespielt. Nach „Amores Perros“ und „21 Gramm“ präsentiert er mit „Babel“ erneut ein raffiniert konstruiertes Drama. Wieder geht es um Zufall und Notwendigkeit, um Eltern-Kind-Beziehungen sowie die große Kommunikationslosigkeit. In den drei parallelen Geschichten erlebt ein amerikanisches Ehepaar (Brad Pitt und Cate Blanchett) sein Trauma in Marokko: Zwei Knirpse spielen mit einem Gewehr, durch den sich lösenden Schuss wird die Frau schwer verletzt. Sofort ist von Terrorangriff die Medienrede. Daheim in Amerika nimmt die mexikanische Haushälterin (Adriana Barazza) des Paares die beiden Kinder zur Hochzeit ihres Sohnes über die Grenze. Bei der Rückkehr wird auch sie ein Trauma in der Wüste erleben. Ein taubstummer Teenie aus Tokio (Rinko Kikuchi) schließlich kompensiert im dritten Story-Strang mangelnde Zuneigung durch slipfreie Flirts, die eine Sharon Stone prüde wirken lassen.
Trotz des verworren klingenden Episodencharakters ist man durch das psychologisch plausibel und höchst spannend konstruierte Figurenkarussell immer mittendrin statt nur dabei. So entsteht ein faszinierender Film über Fremdenfeindlichkeit und Terrorismus-Hysterie, aber auch über Kommunikationslosigkeit und die Schwierigkeiten der Liebe — und all das ohne das genreübliche Gutmenschen-Glutamat. Grandiose Erzählkunst, psychologische Präzision der fragilen Figuren sowie starke Akteure machen diese Globalisierung des Schmerzes zu einem der besten Filme des Jahres.
Bewertung der redaktion
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