Konfliktpotential
Der Däne Jacob (Mads Mikkelsen) arbeitet in einem Waisenhaus in Indien. Ein skandinavisches Großunternehmen will vier Millionen Dollar in dessen Hilfsfond spenden. Einzige Voraussetzung: Jacob soll selbst nach Kopenhagen kommen, um dem Firmenchef das Projekt vorzustellen. Aber der Multimillionär Jørgen (Rolf Lassgård) zögert die Unterschrift heraus und lädt den bescheidenen Entwicklungshelfer generös zur Hochzeit seiner Tochter Anna (Stine Fischer Christensen) ein. In der Kirche erblickt Jacob seine Jugendliebe Helene (Sidse Babett Knudsen), die er vor 18 Jahren verlassen hat und die ihm nun als Jørgens Ehefrau vorgestellt wird. Erst langsam wird Jacob klar, dass die junge Braut seine eigene Tochter sein könnte.
Mit Shakespeare’scher Wucht lässt Bier die Figuren aufeinanderprallen und legt schichtweise deren Seelenstruktur frei. Es geht um den Graubereich, in dem das Übernehmen von Verantwortung für einen geliebten Menschen geradewegs in dessen Manipulation und Entmündigung führt. Um Entscheidungsfähigkeit und den Umgang mit Konflikten, in denen die Konfrontation nicht zwangsläufig der persönlichen Wahrheitsfindung dient. Biers aufrichtiges Interesse an der Beschaffenheit der menschlichen Seele verbindet sich mit der Wucht einer griechischen Tragödie, brillanten Schauspielerleistungen und einer klaren Bildsprache, mit der die Regisseurin sich von der verwackelten Dogma-Ästhetik verabschiedet und den Mut zu wirklich großen Kinobildern findet.
Bewertung der redaktion
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