Sein Leben steht im Zeichen von Bomben, Granaten und Schnellfeuergewehren. Doch der 1957 in Lörrach geborene Jürgen Grässlin ist weder Soldat noch in der Rüstungsbranche tätig. Der Lehrer und Vater zweier Kinder hat sich dem Kampf gegen Waffen aller Art verschrieben und setzt seine Berufung seit vielen Jahren durch exakt recherchierte Veröffentlichungen, Vorträge und Aktionen in die Tat um – alles ehrenamtlich versteht sich.
„Im Kontext des anhaltenden Palästina-Konflikts und der kriegerischen Auseinandersetzungen in den Maghreb-Länder, in denen auch mit deutschen Waffen gekämpft wird, lag seine Nominierung nahe“, erklärt Karl Heinz Otten vom Aachener Friedenspreis e.V. Jürgen Grässlin ist Deutschlands „bekanntester Rüstungsgegner“ – zumindest nannte ihn DIE ZEIT einst so. Vor allem die Gefahren durch Kleinwaffen entgingen der öffentlichen Aufmerksamkei, so Grässlin. Allein mit Produkten der Waffenschmiede Heckler und Koch seien über die Jahre mehr als 1,5 Millionen Menschen umgekommen.
Der gewiefte Pädagoge war vor kurzem mit dem TV-Bericht „Deutsche Waffen für Ägypten“ in der ARD-Sendung „Fakt“ zu sehen. Für 2011 sind weitere Veranstaltungen geplant, etwa die Kampagne „Aktion Aufschrei: Stoppt den Waffenhandel!“ sowie ein Workshop zum Thema „Kriegsprofiteur EADS. Wie der Rüstungsriese seine Profite durch Waffenlieferungen an menschenrechtsverletzende und kriegsführende Staaten steigert – und was wir dagegen unternehmen können“ an der Universität Freiburg.
Verständlicherweise machte sich der Kritiker bei den Unternehmen der Branche keine Freunde. Allen voran Heckler und Koch, aber auch der Luft- und Raumfahrtkonzern EADS und Daimler überziehen ihn in regelmäßigen Abständen mit Klagen – doch bisher konnten die weltweit operierenden Unternehmen dem Privatmann keine Fehler nachweisen.
„Grässlin spricht aus, was viele nicht wagen“, so Otten. „Dabei hat er niemals Berührungsängste.“ Etwa als er das Bündnis „Kritische AktionärInnen Daimler“ gründete. Ansatz dieser Aktion war, dass sich jeder Teilnehmer eine Daimler-Aktie kauft und daraufhin in den Aktionärsversammlungen rede- und antragsberechtigt ist. Grässlin und seine Mitstreiter haben so die Möglichkeit, jedes Jahr die Waffenexporte von Daimler und EADS an den Pranger zu stellen.
Neben dem Rüstungsgegner erhält auch die Informationsstelle Militarisierung (IMI) den Aachener Friedenspreis. Die antimilitaristische Denkfabrik sieht sich selbst als Scharnier zwischen Wissenschaft und Friedensbewegung. In ausführlichen Studien, Analysen und Kurzartikeln legt sie ihre Sicht zu Themen wie Militarisierung in Europa, Flüchtlingspolitik und Konfliktforschung dar und beteiligt sich auch praktisch an Kampagnen, etwa gegen Rekrutierungsversuche der Bundeswehr an Schulen. Der Tübinger Verein wurde 1996 gegründet als direkte Reaktion auf die Einrichtung des Kommando Spezialkräfte KSK, das die Gründer als eine „symbolhafte Umstrukturierung der Bundeswehr zu einer globalen Kriegstruppe“ werteten. /// Sebastian Dreher
1.9.
Verleihung des Aachener Friedenspreises
19 Uhr, Aula Carolina
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