Von Marcus Erberich
Herr Piana, Marcel Philipp sagt, durch die Kaiserplatzgalerie werde der Aachener Innenstadt „ein Stück Qualität hinzugefügt“. Planungsdezernentin Gisela Nacken sagt, Aachen steige dadurch „als Einkaufsstadt in eine höhere Liga“ auf. Stimmen Sie dem zu?
Im Grunde genommen ja. Eine solche Galerie kann die Einkaufsstadt Aachen als Oberzentrum stärken. Das ist unstreitig. Aachen ist ein interessanter Handelsstandort, viele überregional Tätige haben Interesse, hierhin zu kommen. Die Galerie bietet die Chance, dass solche Unternehmen kommen können und so die Vielfalt stärken. Aber es ist illusorisch davon auszugehen, dass der Umsatz, der in dieser Galerie erzielt werden wird, zusätzlich aus dem Umland geholt werden kann. Es wird das ein oder andere hinzukommen, dadurch wird auch die Zentralität von Aachen gestärkt werden, aber der Großteil wird umverteilt werden. Das bestätigt ja auch schon das alte Gutachten, das besagt, dass knapp unter zehn Prozent umverteilt werden wird, was nach unserer Auffassung jedoch viel zu gering ist.
Was bedeutet das für den Einzelhandel?
Man kann davon ausgehen, dass nicht so attraktive Lagen darunter leiden werden, weil der Einzelhandelsschwerpunkt sich dann weiter in Richtung der Galerie verschieben wird. Deshalb muss untersucht werden, wie viel Verkaufsfläche Aachen eigentlich noch verkraften kann – auch im Hinblick auf den immer stärker werdenden E-Commerce, den Strukturwandel im Handel sowie den demographischen Wandel. Es muss geprüft werden, welche Branchen und Anbieter uns noch fehlen, um wirklich die Vielfalt und Anziehungskraft Aachens zu stärken. Außerdem sind wir der Meinung, dass es wichtig ist zu prüfen, wie die Kaiserplatzgalerie sich richtig integriert. Sie darf auf keinen Fall für den Verbraucher ein geschlossener, autarker Raum sein, wo er reingeht, drei Stunden bleibt und dann wieder nach Hause fährt. Davon hätte die Stadt nichts. Die Galerie muss vom Verbraucher als Ergänzung gesehen werden zu dem Bestehenden. Das heißt, dass er durchaus die Galerie besucht, sie aber als Ausgangspunkt sieht, um durch die ganze Stadt zu gehen. Die Anbindung muss vernünftig sein, sie muss offen sein, Zu- und Ablauf müssen gut funktionieren. Parallel dazu muss überlegt werden, wie man städtebaulich andere Bereiche wie Markt und Großkölnstraße besser mit einbinden kann, wenn sich die Kaufkraft in Richtung Kaiserplatzgalerie verlagert.
Die Initiative „Kaiserplatzgalerie, nein danke!“ fordert die Reduzierung der Verkaufsfläche auf 15.000 Quadratmeter – also knapp die Hälfte. Wären die Probleme damit gelöst?
Das kann man so pauschal nicht sagen. Man muss überlegen, was getan werden muss, damit andere Bereiche der Stadt nicht zu sehr leiden, beziehungsweise damit alle von der Galerie profitieren. Klar ist: Es gibt immer Sieger und Verlierer und allen kann man es nicht recht machen. Und wenn man sich überlegt, dass mit der Galerie auf einmal gut 15 Prozent der zurzeit vorhandenen Verkaufsfläche in der Aachener Innenstadt dazukommen, ist das schon eine Hausnummer. Das heißt aber nicht, dass wir das generell verhindern wollen. Der Handel lebt seit ewigen Zeiten vom Wettbewerb. Es sollte aber in verträglichem Maße erfolgen. Wenn die Stadt profitieren soll, dann muss man überlegen, was verträglich ist. Wenn die Galerie nicht funktioniert, dann hat keiner etwas davon. Stadt und Galerie müssen funktionieren. Gestaltung, Größe und Branchen-Mix müssen stimmen, dazu die Anbindung an die bestehenden Lauflagen. Das sind die Stellschrauben, an denen gedreht werden muss.
Die geplante Größe der Galerie ist also nicht problematisch?
Noch einmal, das kann man so pauschal nicht sagen. Es muss geprüft werden, wie viel zusätzliche Verkaufsfläche Aachen noch verkraftet, ohne dass irgendwo anders Leerstand entsteht. Die Frage ist schon, ob die Galerie nicht wirklich überdimensioniert ist. Auf der anderen Seite ist es zu befürworten, dass die Galerie an dieser Stelle gebaut wird anstatt irgendwo außerhalb auf der grünen Wiese. Dennoch wird es eine Umverteilung geben, einige Bereiche werden profitieren, andere werden schwächer. Das bestehende Gutachten sollte daher fortgeschrieben werden unter Berücksichtigung der zwischenzeitlich erfolgten Entwicklungen.
Sie sagen, der Branchen-Mix müsse stimmen. Ist das überhaupt machbar?
Wettbewerb hat es immer gegeben. Eine Stadt kann davon profitieren und Aachen braucht so etwas, da bin ich sicher, weil es die Ausstrahlungskraft Aachens als Einkaufsstadt stärken wird. Neue Labels kommen, ein neues Shopping-Gefühl entsteht. Es kommen dadurch vielleicht Leute nach Aachen, die vorher nicht gekommen sind und andere bleiben hier, weil sie jetzt all das finden, was sie vorher vermisst haben. Nur sollte das verträglich sein. Die Galerie muss sich eingliedern, damit nicht zu viel Kahlschlag an anderen Stellen passiert. Nur dann können alle davon profitieren. Wenn die Galerie als Einladung zum Bummeln durch die Stadt aufgenommen wird, dann hat jeder was vom Kuchen.
STRABAG Real Estate und ECE haben in Koblenz ein vergleichbares Shopping Center gebaut. Auf der Homepage wirbt dieses mit dem Slogan „Wir shoppen nicht, wir kaufrauschen!“. Klingt das für Sie erstrebenswert?
Über Werbung lässt sich bekanntlich streiten, weil man nie alle Geschmäcker trifft. Mich persönlich spricht der Spruch nicht unbedingt an, genauso wenig wie „Geiz ist Geil“. Aber es zeigt, dass das Umfeld stimmen muss. Einkaufen hat sich dahingehend entwickelt, dass es einen Erlebnis-Charakter braucht. Nicht umsonst ist Gastronomie in der Galerie geplant. Das bisherige Konzept sieht danach aus, dass die Galerie ein in sich geschlossenes System sein wird. Natürlich, ein Center hat zunächst einmal das Bestreben, nach innen gerichtet zu sein. Deshalb sage ich ja: Man muss sehen, wie es angebunden wird, und dafür sorgen, dass der Bereich als Ergänzung gesehen wird und nicht als autarker Körper, der in sich geschlossen ist. Man muss genau hinsehen, wie man architektonisch alles verbindet und wie und wohin die Galerie sich öffnet.
Wer muss dazu die nötigen Impulse geben?
Das ist die Aufgabe von Politik und Verwaltung, die entsprechend auf die Investoren einwirken müssen. Dazu muss alles transparent sein. Man muss prüfen, wie man es schaffen kann, dass die optimale Erreichbarkeit von Markt und Großkölnstraße und anderen Bereichen weiter gewährleistet ist. Außerdem muss man sehen, dass das Angebot nach Möglichkeit keine Wiederholung dessen ist, was es schon in der Stadt gibt. Es muss etwas Neues sein, etwas Zusätzliches. Die Galerie muss ein Zusatz sein.
Ihr Fazit: Muss der bestehende Einzelhandel vor der Kaiserplatzgalerie beschützt werden?
Handel ist Wandel. Und er lebt seit jeher von Wettbewerb und Konkurrenz. Wenn man einen schützen muss, kann man davon ausgehen, dass er ohnehin bald vom Markt verschwinden würde – auch ohne die Galerie. Deshalb muss man sich den Gegebenheiten rechtzeitig anpassen. Das ist dort Kerngebiet, dahin gehört Handel. Man kann über Ausmaße und Dimensionen sicher streiten, auch über Branchen-Mix und die Anbindung. Da muss man erreichen, dass alle davon profitieren. Aber Aachen ist eine Einkaufsstadt und diese Galerie kann Aachen stärken. ///
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