Von Katja Laska
„Die Drahtfiguren sind meine Lieblinge“, erzählt Edda Möller-Kruse. Die gebogenene Metallschnüre hängen an den Wänden. Weitere Stücke, etwa 400 an der Zahl, stehen in Regalen und Vitrinen. Und die Herstellerin mittendrin.
„Etwa 350 Stücke habe ich selbst gemacht“. Postkarten mit Blattgold, Aufzieh-Tiere oder kleine Magnet-Männchen, die im Kunstrasen sitzen. Alles Unikate und Orginale. Das ist „Choco&Co“. Wie der Name jedoch schon vermuten lässt, hat der Ursprung des Geschäfts etwas mit Schokolade zu tun.
Doch von vorne: Ursprünglich aus Hamburg, zwischendurch in Antwerpen, landet Müller-Kruse schließlich in Aachen und als Lehrerin und Kunstpädagogin am Kaiser-Karl-Gymnasium. Und in der gleichen Ecke ist sie bis heute geblieben.
Schräg gegenüber in der Hausnummer 28. Seit 2003 wohnt sie in dem Haus, dass sie von der Nobis-Familie gekauft hat. Seitdem ist viel passiert. Maastrichter Studenten haben den Raum für Kunstaktionen genutzt, ein sehr teurer Umbau ein Loch in den Geldbeutel gerissen und eine Mietnomadin eine der obenliegenden Wohnungen demoliert.
„Yes, we can“
Viele Rückschläge für die mittlerweile pensionierte Lehrerin, die sich von ihren ehemaligen Schülern doch nicht so ganz trennen kann. „Ich wollte den Laden nutzen, um etwas mit Kindern auf die Beine zu stellen“, sagt Müller-Kruse und beginnt mit Oberstufenschülern Tafelschokolade mit besonderen Verpackungen zu produzieren.
Die Idee: Die Jugendlichen sollen lernen, wie man ein Unternehmen führt. Nach dem Gewinn der Präsidentschaftswahl von Barack Obama im Jahr 2008 ist die „Yes, we can“-Hülle übrigens der Renner. Obwohl alles gut läuft, muss sich die Rentnerin nach einigen Jahren eingestehen, dass das Ganze zu teuer wird. Die Schokolade verschwindet also aus den Regalen. Der Name bleibt und wird sogar patentiert.
Kreativ und sozial
Wer jetzt denkt, nun sei der wohlverdiente und eh schon überfällige Ruhestand angesagt, der liegt falsch. „Da kam die Zeit, in der ich mich auf meinen Beruf besonnen habe. Ich wollte meine eigenen Sachen machen. Eigene kleine Kunstwerke. Es reicht schon, wenn ich etwas Alltägliches sehe“.
Wie Verpackungen eben. Und dann wird zuhause oder in der Werkstatt hinter dem Ladenlokal gewerkelt, geklebt und verkauft. Dabei setzt die Dame, die während ihrer Ausbildung auch Teile der Buchbinderei und Goldschmiedekunst kennengelernt hat, auf Skurilles, Seltsames, Originelles und Originales.
Handarbeit
„Ich erfinde alles selbst“. Richtige Handarbeit eben. Da fängt der Tag dann schon einmal um sieben Uhr morgens an und hört spät abends wieder auf. „Reich werde ich damit nicht“, erzählt sie. Wieviele Kunden an einem Nachmittag kommen, sei schwer zu sagen.
Manchmal stehen sich die Leute in dem schmalen Raum auf den Füßen, manchmal kommt stundenlang niemand. Passiert das, zieht die Künstlerin in ihre Werkstatt und arbeitet dort weiter. „Es ist aber billiger, wenn ich mir Material bestelle und es selbst bastle anstatt Produkte extern zu ordern und nur zu verkaufen“, erklärt sie. Und es macht eindeutig mehr Spaß.
Freundschaften und Projekte
Die gelernte Kunsterzieherin hat neben ihrer kreativen aber auch eine soziale Ader. Wie gut, dass über ihrem Geschäft noch Wohnungen liegen. In einer lebt der RWTH-Kanzler Manfred Nettekoven. Die beiden sind heute gute Freunde. In ihren eigenen vier Wänden lebt zurzeit auch Yaman, ein syrischer Flüchtling.
Bereits vor vier Jahren zog Filipe aus Kolumbien in das kleine Gästezimmer ein, danach die junge Pema, die in Maastricht studieren wollte. „Es ist einfach schön, junge Leute um sich zu haben.“ Sie unterstützt die Neuankömmlige bei Amtsgängen, Anträgen und der Jobsuche und hilft ihnen dabei, Deutsch zu lernen. Langweilig wird ihr also nicht.
Ihr neustes Projekt: „Don’t wait, go skate“. Ein Crowdfunding-Projekt, bei dem Flüchtlingskinder das Skaten lernen können. Schon Yaman hat durch diesen Sport Kontakte knüpfen können. Genau das Gleiche erhofft sich Müller-Kruse auch für andere.
Eine Zauberhöhle
Doch zurück zum Geschäft. Klar dachte sie schon einmal an die Schließung von „Choco&Co“. Insbesondere als das Geld knapp wurde. Übers Herz gebracht hat sie es trotzdem nicht „Dieses Geschäft ist meine verwunschene Zauberhöhle, mir graut es jetzt schon vor dem Zumachen.“
Und es ist schon Neues geplant. Erst letztens hat sie ihre Tochter in Dublin besucht und kam mit neuer Idee wieder. Ein gerippter Aachen-Stadtplan. „Ich sitze an den Zeichnungen und Schattenumrissen und arbeite an den Proportionen“. Da kündigen sich also wieder lange Bastel-Schichten an. Aber wohl auch das nächste Orginal. \
Choco & Co
Pontstraße 28
www.choco-co.de
Crowdfunding
„Don’t wait go skate!“ soll Flüchtlingskindern in Aachen helfen. Das Wichtige: kein teures Sportgerät, keine Kosten, drinnen und draußen und in einer Gruppe. Jeweils eine Gruppe von fünf bis zehn Kindern kann 20 Stunden gratis mit Profis trainieren und nach einer kleinen Prüfung das geliehene Board behalten. \
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