Von Dieter Oßwald
Nach einer wahren Geschichte erzählt Regie-Talent Jeff Nichols („Take Shelter – Ein Sturm zieht auf“) vom weißen Maurer Richard Loving, der seine schwarze Freundin Mildred heiratet. Im US-Bundesstaat Virginia sind solche Mischehen anno 1958 verboten. Das Paar reist deshalb eigens nach Washington zur Vermählung. Nach der Rückkehr in die Heimat werden die beiden verhaftet und zu einem Jahr Gefängnis verurteilt. Der Knast bleibt ihnen nur erspart, wenn sie sich schuldig bekennen, den Bundesstaat verlassen und 25 Jahre lang nicht mehr betreten.
Richard und Mildred bleibt keine Wahl, schließlich ist ein Kind unterwegs. Die Familie zieht in die Stadt, auf Dauer vermisst die junge Mutter jedoch ihre Heimat. Sie will sich die Ungerechtigkeit nicht länger gefallen lassen und wendet sich mit einem verzweifelten Brief an Justizminister Robert F. Kennedy. Prompt übernehmen Anwälte der Bürgerrechtsbewegung den Fall – und siegen am 12. Juni 1967 vor dem Supreme Court.
Das Diskriminierungs-Gesetz wird gekippt. Ein kleiner Schritt für die Familie Loving, ein großer für die Bürgerrechte. Mit angenehm unaufgeregtem, grandios präzisem Blick präsentiert Regisseur Jeff Nichols seine bescheidenen Helden, die allen Widrigkeiten des Lebens trotzen und ihr kleines Glück verteidigen. Bereits nach wenigen Minuten ist klar, welch wunderbare Liebe dieses Paar verbindet. Entsprechend groß gerät das Empathie-Potenzial des Publikums für solche Sympathieträger. Umgekehrt wird auf die typische Kotzbrocken-Nummer der Rassisten verzichtet: Der Sheriff und der Richter mögen zwar miese Typen sein, hier bekommen sie nur Komparsen-Status, Unsympathen, versenkt in die verdiente Bedeutungslosigkeit.
Mit bravouröser Beiläufigkeit gelingt auch die Inszenierung der Gerichtsszenen, die ohne das sonst gern bemühte Juristen-Bla-Bla auskommen. Die erzählerischen Prioritäten liegen klar bei den zwei Protagonisten – was deren Geschichte voranbringt, bleibt, dramaturgischer Ballast geht rigoros über Bord. Mit Joel Edgerton und der für den Oscar nominierten Ruth Negga gerät auch die Besetzung zum echten Glücksfall.
Beide setzen bei ihren Darstellungen auf maximalen Minimalismus und erzielen mit kleinen Gesten und flüchtigen Blicken enorme Wirkung. Ein würdigeres Denkmal hätte man den echten Lovings nicht setzen können. Und der erst 39-jährige Jeff Nichols wird mit diesem Meisterwerk seinem Ruf als einer der talentiertesten Indie-Regisseure einmal mehr gerecht. Auf seinen nächsten Film darf man schon jetzt gespannt sein. \
„Loving“
USA 2016 // R: Jeff Nichols
Start: 15.6. | 123 Minuten | FSK 6
Bewertung der redaktion
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