Von Kira Wirtz
Jørgen Tesman und seine Frau Hedda kehren von ihrer ausgedehnten Hochzeitsreise zurück. Um seiner Frau zu imponieren und ihr einen Gefallen zu tun, hat der etwas steife und vertrottelte Jørgen Tesman (Philipp Manuel Rothkopf) ein Haus gekauft. Eine sterile weiße Villa, ohne Ecken und Kanten, mit akkurat angeordneten Steinen auf dem Sims und einer unbequem aussehenden, minimalistisch angehauchten Sitzecke.
Noch bevor der Zuschauer „die schöne Hedda“ kennen lernt, erfährt man schon eine ganze Menge über sie. Denn Fräulein Juliane Tesman (Elisabeth Ebeling), Jørgens mehr als gutbürgerliche, verschrobene Tante, stattet dem jungen Ehepaar gleich zu Beginn des Stücks einen lauten Besuch ab und brüllt sich in die Aufmerksamkeit des Zuschauers, während Hedda noch ihren Schönheitsschlaf schläft.
Von dem Tantchen erfährt man erstmal die Basics. Hedda ist unglaublich schön – eigentlich zu schön. Die Hochzeitsreise dauerte fast sechs Monate – eigentlich viel zu lang. Das Haus ist eine stattliche Villa – eigentlich nichts für Jørgen. Hedda hatte vor der Hochzeit jede Menge Verehrer – eigentlich ein Skandal. Hedda zu gefallen kostet einige Mühen – Hedda ist eigentlich ein eingebildetes Miststück, das sich für etwas Besseres hält.
Irrtümlich schwanger
Doch jetzt gehört sie zur Familie, also will Fräulein Tesman ihr Bestes geben und sich mit Hedda gut stellen; zumal sie durch einen Irrtum davon ausgeht, dass Hedda schwanger ist. „Jeden Tag, den der Herr werden lässt, komme ich euch besuchen!“
Jørgen ist begeistert, sortiert noch ein paar seiner Schriftstücke, springt aufgeregt umher, nestelt ständig an Hedda rum und nervt schon nach zehn Minuten mit seinem ständigen „Denk nur Hedda!!!!“. Hedda lässt das alles kalt. Sie bestraft die Tante mit Herablassung und ihren naiven Ehemann mit Gereiztheit.
So wunderbar unsympathisch
Und in der Tat, ab der ersten Sekunde wirkt Katja Zinsmeier als Hedda Gabler wunderbar unsympathisch und zeigt eine unglaubliche Bühnenpräsenz. Ihre Outfits sind modisch, ganz ladylike und offensichtlich teuer. Gleich zu Beginn überstrahlt sie in ihrem grünen seidenen Overall die beiden etwas spießig gekleideten Tesmans.
Doch Hedda ist kein Unsympath, sondern ihr ist einfach nur langweilig. Also nutzt sie ihren Charme ganz bewusst, um andere Menschen in ihre Spielchen zu verwickeln. Außerdem scheint Hedda unglücklich: „Ich weiß nicht, wieso ich glücklich sein sollte!“ Denn eigentlich sollte jetzt ihre Zukunft beginnen – in ihrer neuen Villa, mit Angestellten, Reitpferden und Empfängen.
Doch leider ist das Geld jetzt schon knapp und Angestellte und Reitpferde kommen nicht in Frage. Außerdem muss ihr Ehemann – „Denk nur Hedda!“ – um seine Professur fürchten. Außgerechnet Ailert Løvborg, Tesmans alter Schulfreund und ewiger Konkurrent, privat wie geschäftlich, könnte ihm diese Position streitig machen. Und auch Hedda und Løvborg (Tim Knapper) kennen sich: Sie verbindet eine frühere Beziehung, die Hedda beendet hat, da sie sein Leben für nicht standesgemäß hielt.
Intrigen und Spielchen
Jetzt muss sie erfahren, dass Løvborg mittlerweile sein Lotterleben an den Nagel gehängt hat und mit Hilfe der kindlich-naiven Frau Elvsted (Ina Tempel) ein Aufsehen erregendes kulturgeschichtliches Buch geschrieben hat. Und irgendwo zwischen bösen Spielchen und Intrigen, einem verloren gegangenen Manuskript und mehreren Dreiecksverhältnissen zerrinnt Heddas Lebensplan zwischen den Fingern. ///
1., 11., 16., 19. und 25.6.
„Hedda Gabler“
20 Uhr, Kammer, Theater Aachen
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