Selten wurden so viele Zeilen mit der Info vollgeschrieben, dass es keine Informationen gibt. Egal! Jetzt zählt nur noch „The Next Day“. Wer nach der introvertierten, fast weinerlichen Vorabsingle „Where Are We Now?“ mit ihren Erinnerungen an Bowies Berliner Zeit ein nostalgisches Alterswerk erwartet hat, wurde schon von der zweiten Single, „The Stars {Are Out Tonight}“, einer kraftvoll vitalen Rock-Nummer mit einem sich unwiderstehlich einschleichenden Refrain, angenehm überrascht.
Und auch die anderen 15 Titel des Albums mit dem verfremdeten „Heroes“-Cover klingen alles andere als lahm. Vielmehr zeigen sie einen Sänger und Songschreiber, der gerade dem Jungbrunnen entstiegen scheint.
Crooner-Einlagen á la Scott Walker
David Bowie singt nicht nur genauso gut und emphatisch wie in seinen besten Zeiten, auch die zwischen Rock, Pop und schrägem Soundexperiment mäandernden Songs klingen frischer und mitreißender
als alles auf seinen letzten Platten, „Reality“, „Heathen“ und „Hours“. Er braucht auch keine Coverversionen als Füllsel mehr.
Die Ideen für Songs scheinen ihm wieder ganz leicht zuzufliegen. Dass er sich dabei gelegentlich selbst zitiert, vor allem seine Platten aus den späten 70er Jahren wie „Heroes“, „Lodger“ und „Scary Monsters“ mit ihren schrillen Gitarren, hektischen Beats, wilden Breaks und turbulenten Melodien lässt man sich gern gefallen, wie auch einige Crooner-Einlagen á la Scott Walker und jede Menge feine Pop-Melodien.
Ein großes Lob geht zudem an die krachige, fette Produktion von Tony Visconti, an die abwechslungsreichen, kompakten Arrangements und an Bowies bewährte Band um Bassistin Gail Ann Dorsey, Schlagzeuger Zachary Alford und die Gitarristen Earl Slick und David Torn. Was jetzt dem Fan zur vollen Zufriedenheit noch fehlt, sind Konzerte. Mal sehen, was kommt… \ Volkard Steinbach
Sony Music
Foto: Floria Sigismondi
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