Leidenschaft und Verzweiflung inmitten des römisch-gallischen Krieges. Dabei ist die Handlung dieser Oper überschaubar: Die gallische Priesterin Norma, Sopranistin Irina Popova, ist dem Keuschheitsgebot und der Feindschaft mit Rom zum Trotz die Geliebte von Prokonsul Pollione, Tenor Johan Weigel. Doch der hat nur Augen für die Tempeldienerin Adalgisa, Sopranistin Sanja Radisic. Erst beim Feuertod Normas, der Mutter zweier gemeinsamer Kinder, beweist er seine Liebe zur Druidin.
Reines Musiktheater
Bei einer konzertanten Aufführung einer Oper wird auf Schauspiel, Kostüme und Bühnenbild verzichtet. Dass Gestik und Mimik dennoch keineswegs belanglos sind, machen die Sopranistinnen Radisic und Popova deutlich. Für die insgesamt sechs Sänger stehen auf der Bühne des Theater Aachen Polsterstühle im Vordergrund bereit. Etwa beim Duett zwischen Radisicc und Weigel im ersten Akt, als Pollione Adalgisa zur Flucht in die römische Heimat drängt, bleibt der Platz von Popova zwischen den Sängern leer. Norma, die betrogene Geliebte, ist so als Leerstelle auch in den Passagen präsent, in denen Popova nicht selbst auftritt. Im Hintergrund der Bühne hat das Sinfonieorchester unter der musikalischen Leitung von Justus Thorau Platz genommen, während erhöht vor einem einfachen blauen Hintergrund der Opernchor, der Extrachor und der Sinfonische Chor Aachen stehen.
Auch ohne szenische Interaktion funktioniert die dramatische Dreiecksgeschichte „Norma“ wunderbar, weil innerhalb eines einfachen Handlungsgerüstes mit reduziertem Figurenensemble und eindeutigen Kernkonflikten Bellinis Tragedia lirica besonders in den feinen inneren Zwiespälten fasziniert. Losgelöst vom üblichen Kostümpomp oder von modernen Neuinterpretationen geht die psychologische Tiefgründigkeit durch wunderschöne Melodien über das Ohr direkt ins Herz.
Drei sind einer zuviel
Irina Popova präsentiert sich als würdige Primadonna assoluta. Besonders in den Höhen begeistert sie das Publikum, das ihr nicht nur bei der berühmten Cavatine „Casta diva“ den verdienten Respekt zollt. Die Männer haben es da deutlich schwerer, allein schon deshalb, weil das Libretto bei gerade einmal sechs Sängern gleich zwei Soprane vorsieht. Zwar singt etwa Woong-jo Choi den Part des obersten Druiden und Vaters von -Norma sicher und im Zusammenklang mit dem Chor im schönsten Bass und auch Tenor Johan Weigel überzeugt – Sanja Radisicc aber entfaltet im dunkleren Timbre des Mezzosopran eine besondere melancholische Vielschichtigkeit, die sie in Mimik und Gestik unterstützt.
Diese Präsenz Radisic bleibt auch im zweiten und letzten Akt erhalten, zuerst im Vortrag mit Popova, die als Einzige von der Möglichkeit Gebrauch macht, sich mitsamt dem Notenständer den Gesangspartnern zuzuwenden und dann in der dramatischen Finalszene gemeinsam mit Weigel. Die Uraufführung von Vincenzo Bellinis Melodram an der Mailänder Scala 1831 war übrigens ein Misserfolg, die konzertante Aufführung der Oper am Theater Aachen hingegen ein beeindruckender gesanglicher Höhenrausch. \ mz
„Norma“ (konzertante Aufführung)
3.7.
19.30 Uhr, Bühne, Theater Aachen
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