Und das gilt sowohl für die musikalische als auch für die textliche/inhaltliche Seite. „Rivonia“, benannt nach dem Johannesburger Stadtteil, in dem Cherilyn McNeil alias Dear Reader aufwuchs, handelt von Südafrika, von der Geschichte des Landes, von namenlosen Kumpels in den Gold-Minen, von ihrem Großvater, der mit Mahatma Ghandi zusammenarbeitete, von den Schauprozessen gegen Nelson Mandela und den ANC sowie von wichtigen Zeit- und Wendepunkte wie dem 27.04 1994, an dem die ersten freien Wahlen nach dem Ende der Apartheit stattfanden.
Im Mittelpunkt der Musik steht Cherilyn McNeils klare Stimme, die sie wie ein Instrument einsetzt, mit technischen Möglichkeiten á la Laurie Anderson vervielfältigt, neben– und übereinander türmt. Wenn nötig, etwa beim Finale, „Victory“, lässt sie sich auch von Sängerinnen begleiten und wird zum Mitglied eines imposanten Chors.
Die instrumentale Begleitung ist hingegen zunächst eher sparsam mit Piano-Akkorden in Moll und Schlagzeug, gespielt vom Drummer der Tindersticks, Earl Havin. Erst im Verlaufe der Songs füllen Musiker aus Berlin und Leipzig mit Akkordeon, Fagott, Trompete, Geigen, Oboen, dezenter Elektronik und mehr Dear Readers komplexes Klang- und Stil-Universum, in dem Folk in diversen Spielarten von Prog- bis zur altenglischen Variante Platz findet – neben Americana-Einflüssen, Balladenkunst, Klassik-Elementen, Minimal-, Theater- und Kabarett-Musik.
Mit dieser aufregenden wie großartigen Mischung steht Cherilyn McNeil/Dear Reader nicht nur hierzulande ziemlich konkurrenzlos da – mit einer Ausnahme: Labelkollege Konstantin Gropper (Get Well Soon). \ VST
(City Slang/Universal)
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